Kultur: Apollinaire revisited
Von Hugo Claus
Das hier in der Autorhandschrift und der Übersetzung abgedruckte Gedicht, eine deutsche Erstveröffentlichung, ist nur kurz. Aber es enthält fast alles, was die Welt des 1929 in Brügge geborenen Flamen Hugo Claus ausmacht: Kriegserinnerungen, einen Sinn für physische Triebkräfte und einen Hauch Altersmelancholie. Es stammt aus „Flagrant“, einer bibliophilen Ausgabe mit neun neuen Gedichten, die am Wochenende als Edition des Antwerpener Antiquariats „De Slegte“ erscheint. Morgen liest Claus, der seit seinem Roman „Der Kummer von Belgien“ (1983) immer wieder als Nobelpreiskandidat genannt wird, im Rahmen der niederländischflämischen Literaturwoche um 20 Uhr in der Berliner Kulturbrauerei. Mit ihm treten u.a. Cees Nooteboom, Leonard Nolens und Paul Bogaert auf. dotz
Hier steh ich nun
ein kluger Mann
der von Leben und Tod
weiß was ein Überlebender wissen kann
Klug?
Was soll ich sagen
Er singt zwar aber
nur von Brunst
Meine teuersten Freunde
sah ich fallen
Ich sah die Bomber
im Sinkflug
Die Züge voller Soldaten
sah ich verbrennen.
Einst wollte ich euch die sonderbarsten
weitesten Domänen schenken
wohlgeordnet oder abenteuerlich
Die eigene Domäne:
eine hysterische neurotische
Provinz.
Aus dem Niederländischen von Waltraud Hüsmert
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