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Kultur: Architektur: Schönwetterfugen

Nein, Architekten sind derzeit nicht zu beneiden. Die fetten Jahre der Nachwendezeit sind vorbei.

Nein, Architekten sind derzeit nicht zu beneiden. Die fetten Jahre der Nachwendezeit sind vorbei. Die Misere der Bauwirtschaft, dürfte daher eines der Hauptthemen auf dem 11. Deutschen Architektentag sein, der am Freitag unter dem Titel "Landschaften im Wandel" in Leipzig stattfindet. Rund 500 Teilnehmer, darunter Bundesverkehrs- und Bauminister Kurt Bodewig sowie Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, werden darüber diskutieren, "Was Architektur leisten kann" und "Was Politik gestalten muss".

Kein Thema wird dagegen die amerikanische Tragödie sein. Eine kurzfristige Programmänderung im Vorfeld des Architektentages wurde verworfen. Dennoch fällt der lange Schatten des Einsturzes des World Trade Centers (WTC) bis nach Leipzig. Schließlich wirft die Renaissance der Hochhäuser, die in den letzten Jahren immer höher in den Himmel wuchsen, etliche Fragen auf. Wie können die symbolträchtigen Gebäude sicherer werden? Welche Konsequenzen hat das für die Struktur unserer Städte? Nach dem Anschlag auf das WTC steht die Diskussion über die Zukunft der Baugattung Hochhaus erst am Anfang.

Stattdessen wird man darüber reden, wie die aktuelle Krise der Bauwirtschaft zu einer Chance für mehr Bauqualität werden kann. Die Dumpingpreise im Baugewerbe haben zu einem knallharten Verdrängungswettbewerb geführt, etliche Unternehmen sind bereits auf der Strecke geblieben. Zu den Konsequenzen des Sparens um jeden Preis zählt eine oft miserable Qualität bei der Bausausführung. Natürlich können sich Architekten nicht der Globalisierung des Wettbewerbs und den Zwängen des Marktes entziehen. Und auch die Städten und Gemeinde besitzen angesichts leerer Kassen lediglich eingeschränkte Spielräume. Die öffentliche Hand muss mit gutem Beispiel voran gehen. Auch eine verbesserte Zahlungsmoral öffentlicher Auftraggeber gehört zur Baukultur.

Rissige Trockenbauwände und daumendicke Acrylfugen, die einem den Schauder über den Rücken jagen, sind die sichtbaren Zeichen einer tief reichenden Bau-Unkultur im Lande. Darüber kann auch die verzweifelt anmutende "Initiative Baukultur" des Bauministeriums nicht hinwegtäuschen. Ihr wäre die nötige Breitenwirkung zu wünschen, damit sie nicht zur Schönwetterveranstaltung verkommt. Der Weg zu einem ambitionierten architekturpolitischen Programm, wie es etwa die finnische Regierung 1999 verabschiedet hat, scheint in Deutschland allerdings noch weit.

Begleitet wird der 11. Deutsche Architektentag von der Ausstellung "Den Wandel zeigen" im Hauptfoyer des Leipziger Gewandhauses. Sie stelltProjekte des EU-Regionalfonds in Ostdeutschland vor. Zudem laden Exkursionen dazu ein, neue Architektur in Leipzig zu entdecken. So konnte in diesem Jahr der Konzertsaal der Hochschule für Musik und Theater von Eckard Gerber eingeweiht werden, und das Museum am Sachsenplatz nach Entwurf der Berliner Hufnagel, Pütz, Rafaelian ist im Bau. Trotz der mageren Jahre - auch in der einstigen Boomtown des Ostens nimmt der Wandel Gestalt an.

Jürgen Tietz

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