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Kultur: Architekturpreis für Roger Dieners Berliner Museum

270 000 Gläser mit in Alkohol eingelegten Tierpräparaten zählen zur Sammlung des Berliner Naturkundemuseums. Sie sind in einem tageslichtlosen Raum in sechs Meter hohen Regalen aufgereiht.

270 000 Gläser mit in Alkohol eingelegten Tierpräparaten zählen zur Sammlung des Berliner Naturkundemuseums. Sie sind in einem tageslichtlosen Raum in sechs Meter hohen Regalen aufgereiht. Eine solche Box gibt es erst seit dem im Herbst 2010 abgeschlossenen Wiederaufbau des kriegszerstörten Ostflügels. Von außen ist der Bruch mit der Tradition kaum zu erkennen. Schiefergrau setzt sich die alte Fassade fort, mit Fensterlaibungen und Rahmen. Jedoch – in Beton hat Roger Diener die Fassade nachgeformt und in die Bombenlücke eingepasst, den Verlust ebenso mildernd wie vergegenwärtigend.

„Diener & Diener haben einen neuen Klassiker für den Umgang mit dem Bestand geschaffen“, urteilt Peter Cachola Schmal, der Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main. Am heutigen Freitag verleiht das DAM seinen „Preis für Architektur in Deutschland“ an den Basler Roger Diener.

In Berlin ist der Architekt mit dem Erweiterungsbau der Schweizer Botschaft, diesem Betonkasten neben dem wilhelminischen Altbau, ins Rampenlicht getreten. Die kompromisslose Abgrenzung von Alt und Neu lässt kaum erwarten, dass Diener im selben Jahr 1995 auch den Wettbewerb für das Naturkundemuseum gewann – mit einem Entwurf, der doch scheinbar auf Rekonstruktion gerichtet war. Scheinbar: Denn das Material – Beton statt Backstein – und die bloße Assoziation von Fenstern machen die Veränderung gegenüber dem Altbestand deutlich. Diener verzichtet auf das Pathos der Wunde, ohne sie zu verleugnen. Er hat den Preis verdient, wie der Vergleich mit allen Nominierungen im „Deutschen Architektur-Jahrbuch 2011/12“ zeigt (Prestel Verlag, 206 S., 39,95 €).

Dieners Berliner Bauten bilden im Gesamtwerk eher die Ausnahme. Rekonstruktion ist seine Sache im Allgemeinen nicht, das schwierige „Bauen im Bestand“ indes schon, wie der Anbau eines Musikgebäudes an das gewaltige Schweizer Kloster Einsiedeln zeigt. Diener steht für den berühmten Basler Minimalismus, für die Reduktion von Gebäuden auf kantige Körper bei höchster Präzision von Detail und Ausführung. Dass ein Überblick über das Gesamtwerk des Architekten erst jetzt erschienen ist, gestaltet von einem Zürcher Designteam (Phaidon Press, 320 S., 59,95 €), spricht für die noble Zurückhaltung, die Roger Diener eigen ist. Bernhard Schulz

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