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Der thailändische Künstler und Designer Anon Pairot zeigt auf der Messe in Singapur seine Serie „Sweet Word“.

© Numthong Gallery

Art Stage Singapore: Der fernöstliche Diwan

Asien boomt und positioniert sich im Weltkunstmarkt: ein Rundgang über die Art Stage Singapore.

Das erste vertraute Gesicht, das einem in Singapur begegnet, gehört Matthias Arndt. Der Galerist aus Berlin zieht aus seinen Räumen in der Potsdamer Straße gerade nach Charlottenburg um. Eigentlich aber lebt er seit 2013 in Singapur, weil ihn die Situation der Kunst hier „an Berlin vor zwanzig Jahren erinnert“. Jetzt sitzt er gemeinsam mit Messe-Direktor Lorenzo Rudolf auf dem Podium im STPI, einem staatlich geförderten Ausstellungsraum mit internationalem Renommee, um über die Art Stage Singapur zu reden. Es ist die sechste Ausgabe der Messe in Südostasiens kleinstem Staat, der wirtschaftlich erfolgreich, politisch autoritär und multikulturell geprägt ist.

Wie Arndt zieht es auch Rudolf weiter, sobald einem Projekt der Stillstand droht. Der einstige Direktor der Art Basel und Initiator ihrer Expansion nach Miami feilt seit 2010 mit seinem Team an der Kunstmesse in Singapur. Weshalb, das hätte einem schon in Berlin bei Arndt klar werden können, wo die Galerie dank ihres Doppelstandorts Kunst aus Singapur, Indonesien oder aktuell von den Philippinen zeigt. Nach jeder Vernissage besteht Redebedarf, weil sich die Arbeiten selten von selbst erklären. Auf der Art Stage Singapur wird allerdings deutlich, dass der Dialog in beide Richtungen nötig ist.

173 Teilnehmer aus 33 Ländern, darunter 32 Galerien mit Sitz in Singapur. Großzügig dimensionierte Kojen im Untergeschoss einer gigantischen Shopping- Mall. Knapp 50.000 Besucher. Zur Professional Preview drängt ein streng limitiertes Publikum, darunter zahlreiche Europäer und meist junge Asiaten, in die Halle. Beinahe glaubt man bei all den vertrauten Details an die eingeübten Messerituale von Köln bis Miami. Bis man den ersten Rundgang startet und die Unterschiede bemerkt. Die Messe in Singapur ist bunter, unübersichtlicher, extremer. Und voller Punkte.

Letzteres liegt an den Arbeiten von Yayoi Kusama. Ihre mit dicken Punkten übersäten Werke reichen von winzigen Kürbissen auf Papier bis zum monströsen Skulpturengemüse beim XL-Seller Sakurado Fine Arts. Die erfolgreiche alte Dame aus Japan ist vor allem dort zu anzutreffen, wo sich japanische Galerien präsentieren. Und das sind ganz schön viele. Natürlich taucht auch Nobuyoshi Araki auf, der das Angebot um Fotografie erweitert. Seine verschnürten Akte werden – mit Rücksicht auf den Messestandort – allerdings nur zweimal angeboten. Zu kaufen sind eher Blumenstillleben mit fernen Assoziationen an Vaginas und Montagen, für die Araki fotografische Alltagsmomente teils schwarz übermalt (Taka Ishi Gallery).

Aus Hongkong kommen große Galerien, die oft drei oder mehr Dependancen unterhalten. Ein Teil ist international vernetzt, andere wie Art Futures Group rangieren eher unter Kunstberatern und geben Tipps für Investments auf ihrer Website. Bei William Art Salon (Taipeh) klebt direkt in der Koje ein Poster mit jüngsten Auktionsergebnissen der Werke von Chen Wen Hsi. Dabei ist der gebürtige Chinese (1906–1992) als Pionier der jungen Tradition der Öl-auf-Leinwand-Malerei in Singapur längst ein Star. Seine an westlichen Stilen orientierten Gemälde und von der Tuschemalerei inspirierten Bilder können sich in der Tat sehen lassen.

Vier wunderbare Landschaften von Liu Guo Song

Wohl deshalb betont Lorenzo Rudolf auf dem Podium so ausführlich, die Art Stage Singapore sei kein reiner Handelsplatz. Sondern ein Forum, auf dem noch viel verhandelt werde müsse. Auch am Stand von Capital Art Center (Taipeh) herrscht Optimierungsbedarf. Vier wunderbare Landschaften von Liu Guo Song, Jahrgang 1932, hängen dort. Das größte Bild des etablierten Malers kostet 158 950 US-Dollar. Darum gruppieren sich jedoch naiv gemalte Bilder von grasenden Kühen in Hügellandschaften, die sich unschwer als weibliche Brüste deuten lassen. Der Assistent steht stolz in der Koje und erzählt, die Bilder habe sein Chef gemalt, der Galerist. Man lächelt und flüchtet, ratlos.

Ist das nun westliche Arroganz? Oder stellt die Art Stage Singapur westlich geprägte Sehgewohnheiten infrage? Vieles in den Galerien aus Singapur, Taipeh, Seoul oder Moskau wirkt eklektisch, vor allem die Gemälde verbinden oft mehrere Stile zu dekorativen Potpourries. Die ersten Verkäufe während der Preview untermauern diesen zwiespältigen Eindruck – zumal offenbar gefragt ist, was auch in europäischen Institutionen präsentiert würde. Die Sundaram Tagore Gallery mit Sitz in Singapur, Hongkong und New York hat eine Arbeit des koreanischen Papier-Virtuosen Chun Kwang Young für 175 000 US-Dollar verkauft, dazu die Farbarbeit „Portrait #11“ von Jane Lee. Doch die Sprache beider Künstler funktioniert so universal wie das Förderprogramm jener vom Staat finanzierten Ausstellungshalle, in der ebenfalls Bilder von Lee ausgestellt sind und die an einer Wand auflistet, wer hier schon zu sehen war: Carsten Höller, Anri Sala, Tobias Rehberger.

Kitsch und Hologramme aus Bangkog

Das Angebot zerfällt in drei scheinbar unversöhnliche Lager. Stark ist die Messe mit Positionen wie denen von Kusama, Kosei Komatsu oder Ruben Pang (Chan Hampe Galleries), die international kompatibel sind und sich gut verkaufen. Die Punkte der kommerziell erfolgreichen Kusama könnten sparsamer dosiert sein. Aber das hier ist schließlich eine Messe, auf der jeder mit den besten Angeboten wedelt. Daneben stehen die übervollen, in den Kitsch gleitenden Kojen wie die der Adler Subhashok Gallery aus Bangkok, deren Hologrammen und poppigen Eisam-Stil-Objekten man einen strengen Kurator wünscht. Oder lieber gleich ein anderes Programm. Schließlich stechen jene Galerien ins Auge, die sich als Mittler zwischen Südostasien und Europa verstehen. Deren Künstler schauen auf die eigenen Wurzeln und beackern Themen, die sich nicht unmittelbar erschließen. Die Leo Gallery (Shanghai/Hongkong) mit einem jungen chinesischen Maler wie Zhao Yiqian oder 2902 aus Singapur sind gute Exempel. Genau wie Matthias Arndt, der mit Heinz Mack einen Zero-Künstler zeigt – eine Position, die ihrerseits von fernöstlicher Spiritualität inspiriert ist.

Der Fokus liegt auf Kunst als Investition

Ein zweiter Experte auf diesem Gebiet ist Michael Janssen. Auch er wirkt seit Langem in Berlin, hat vor drei Jahren einen zweiten Standort in Singapur eröffnet und zeigt an seinem Stand, wen er an der Spree vertritt. Seine Räume in den Gillman Barracks, einem jungen Kunststandort in kolonialer Militärarchitektur, gibt er allerdings gerade auf. Das Konzept eines reinen Galeriehauses funktioniere in Singapur nicht, erklärt er. Bleiben will er, aber an einem Ort. Der Kunstmarkt hier verlangt offenbar nach Feinjustierung.

Noch konzentriert sich viel zu viel auf "art as investment", bedient das Angebot in den Kojen jeden Geschmack. „Nicht alles ist kompatibel mit dem westlichen Markt“, hat Lorenzo Rudolf auf dem Podium erklärt. Und dass jede Messe ein individuelles Profil braucht. Die Art Stage Singapore braucht dafür nur den teuren Kitsch von jener Kunst Südostasiens zu trennen, deren Sprache man sich für eine globale Zukunft aneignen sollte.

Art Stage Singapore, Marina Bay Sands Expo, 10 Bayfront Ave, bis 24. Januar, www.artstagesingapore.com

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