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Kultur: Auch ich auf dem Sofa

Verreisen wir doch einfach mal nicht. Nicht verreisen kostet nichts, noch nicht einmal Anstrengung.

Verreisen wir doch einfach mal nicht. Nicht verreisen kostet nichts, noch nicht einmal Anstrengung. Stattdessen liegen wir mittags auf dem Sofa, bei offenem Fenster. Von außen wehen die Geräusche des Spätsommertags herein, das leise trudelnde Radio in der Küche des Nachbarn, Kindergeschrei im Innenhof, Besteckklappern, das Rauschen der Kastanie vorm Fenster, auf einmal ein sanfter Windhauch, der die Gardine bauscht wie eine Äolsharfe, nur ohne Klang. Keine Musik. Eine weiße Wand zum Daraufgucken. Kein Anruf, keine Aufgabe. So lässt es sich nachsinnen. Verreisen, ohne dass man den Körper hinter sich her zerren muss wie einen Schrankkoffer, in den jemand schon wieder viel zu viel hineingepackt hat, rechteckgewordene Nabelschnur, die an die Gegenwart des Fernen erinnert, das eigene Zuhause. Seien wir glücklich, gleich dableiben zu dürfen.

Leicht fühlt sich die Reise an, ein heiliges Feng Shui des Unterwegsseins. Et in Sofa ego. Und gemächlich sprudeln die Panoramen hoch, schön wie Ansichtspostkarten, Erlebnisse und Erinnerungen, die von so weit her kommen, dass man ihrer auf keiner noch so langen Fahrt habhaft wird. War das nicht? Wie hieß noch gleich? Außen Mittag, innen nun die Zukunft, verheißungsvolle Landschaft. Man könnte ja. Es wäre gut. Bald werden wir. Nichts schöner als das Land der Imagination. Denn gehen, fahren, fliegen und gleichzeitig schweifen, schauen und Gesichte haben, das hat noch niemandem gutgetan. Glücklich ist allein, wer sich erinnert, dass er glücklich war, sagt Adorno. Auf den Weg kommt nur, wer sich auch in Gedanken aufzumachen weiß.

Hiermit endet unsere Sommerserie. Seit dem 16. Juli waren wir zu Fuß unterwegs, per Fahrrad, Vespa, Auto, Luftmatratze, Segelschiff, Zug, Fähre und Flugzeug.

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