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Kultur: Auf der anderen Seite der Straße

Europa wächst. Die Kulturinstitute der neuen Partnerländer sind schon da. Mit kleinen Budgets, aber großen Ideen. Ein Rundgang

Wer vom Rathenauplatz im Stadtbezirk Wilmersdorf in die Koenigsallee einbiegt, erblickt bald linkerhand eine pompöse Villa, deren Ausmaße alles Übliche sprengen. An der hohen Fassade hat der Bauherr, ein russischer Fürst, seinerzeit nicht mit Schmuck gespart. Doch am wehrhaften eisernen Tor hängt nur ein kleines Schild: Rumänisches Kulturministerium „Titu Maiorescu“. Ruxandra Demetrescu, die Leiterin des Instituts, empfängt den Besucher und führt ihn durch drei saalartige Räume. Das ist alles. Rumänien kann sich, zumindest in Sachen Kultur, denn doch kein Schloss leisten. Rumänien wohnt zur Untermiete.

„Wir sind zwei Mitarbeiter und ein Hausmeister“, sagt Frau Demetrescu, als wir in ihrem Büro Platz genommen haben. Die promovierte Kunstwissenschaftlerin hat das Institut 1997 gegründet. Es finden Kunstausstellungen, Konzerte und literarische Diskussionen statt. Eine umfangreiche Präsentation rumänischer Kunst des 20. Jahrhunderts steht bevor. Mitveranstalter wird das Haus Ungarn sein. Schon einmal, als die Budapester Kollegen im Foyer ihrer Botschaft Unter den Linden an die bedeutende Künstlerkolonie Nagybanya in Siebenbürgen erinnerten, kamen die beiden Institute einander näher. Das war keine Selbstverständlichkeit – angesichts der diplomatischen Verstimmungen zwischen beiden Ländern.

Wer braucht 1650 Quadratmeter?

Das eigensinnige Rumänien war das einzige Land des Ostblocks, dem die DDR kein Kulturinstitut einrichtete. In Berlin vertreten zu sein, ist dem neuen Rumänien allerdings wichtig. Und mehr als berechtigt - schließlich spielte umgekehrt die deutsche Kultur, vertreten durch Schriftsteller, befördert durch Schulen, im Karpatenland eine große Rolle. Und spielt sie, wenn auch in weitaus geringerem Maße, auch heute noch.

Ungleich lebhafter als am Halensee geht es im Institut Polski in Mitte zu. Der Portier meldet den Gast nach oben, man durchschreitet ein von Stimmengewirr erfülltes Vorzimmer, bald tritt die junge Direktorin herein. Joanna Kiliszek bekleidet diesen Posten seit einem Jahr, und seit einem Jahr ärgert sie sich über die gewaltigen Ausmaße des Hauses. „Wozu brauchen wir 1650 Quadratmeter?“ Mit Mühe ist es gelungen, den Mietvertrag vorzeitig zu kündigen und damit viel Geld zu sparen. Für Frau Kiliszek, auch sie kommt von der Kunstwissenschaft, bildet der nahe S-Bahn-Viadukt den Limes zwischen Kulturszene und Provinz, und sie lässt keinen Zweifel daran, was sie von der Plattenbau–Umgebung hält.

Ihr Vorgänger war noch stolz, vis à vis zum Roten Rathaus zu residieren, und sah so Polens gewichtige Stellung in Europa unterstrichen. Das ist jetzt selbstverständlich. Nun will man dabei sein, wo etwas geschieht, will beachtet werden – auch von der Berliner Kulturadministration, die den Kulturinstituten in der Vergangenheit wenig Beachtung geschenkt habe. Nicht im eigenen Haus, sondern im Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz präsentierte man kürzlich eine neue Reihe polnischer Dokumentarfilme, und wenn es nach ihr ginge, sagt Joanna Kiliszek, brauchte man nur noch ein Büro und einen eigenen Veranstaltungsraum. Aber wird das polnische Stammpublikum diesen Weg mitgehen? „Dafür sind wir nicht da“, entfährt es der Direktorin. Die Hälfte der Veranstaltungen im eigenen Haus, die andere außerhalb, lautet die neue Devise, die auch die Kollegen aus Budapest und Prag vertreten. Auf Sprachkurse und die im Polnischen Institut besonders umfangreiche Bibliothek wird man deshalb keineswegs verzichten.

Nicht das alte, das junge Publikum wollen die drei Großen unter den sechs mittelosteuropäischen Kulturinstituten mit Macht erobern. Ungarn und Tschechien legen dabei mehr Gelassenheit an den Tag. Seit Jahrhunderten sind Budapest und Prag im deutschen Bewusstsein als europäische Metropolen verankert, und mit diesen Orten scheint weniger deutsche Schuld verbunden als mit Warschau. Polen muss sich vor allem, die Kunstausstellungen im Haus unterstreichen es, als ein Garant der Moderne darstellen. Die Vergangenheit soll im Bild einer dynamischen Gegenwart aufgehoben werden. Im kommenden Jahr wird eine Vielzahl von Veranstaltungen Wroclaw vorstellen, das einstige Breslau, eine Stadt mit einem scharfen Geschichtsbruch. Die Deutschen wurden vertrieben, vertriebene Polen machten hier einen Neuanfang. Heute konkurriere das neue Breslau schon mit der polnischen Hauptstadt, sagt Frau Kiliszek.

Im Ungarischen Kulturinstitut nebenan hofft man, in drei Jahren den Umzugswagen bestellen zu können. Nach der Wende erhielt Ungarn das Grundstück des alten Collegium Hungarium in der Dorotheenstraße zurück, ein Neubau ist beschlossen, nur Geld fehlt noch. Auch darum sucht András Masát, seit 1999 ist er in Berlin, die Kooperation mit Berliner Kultureinrichtungen. Sichtbares Zeichen des Gelingens ist derzeit eine Ausstellung, die das „Avantgarde!“-Projekt des Martin-Gropius-Baus ergänzt: Gezeigt werden Grafiken des mit „Sturm“ und Bauhaus eng verbundenen Siebenbürger Künstlers Mattis Teutsch.

Das Collegium Hungaricum, wie man sich bereits wieder nennt, hat sich durch viele Ausstellungen älterer und moderner Kunst sowie von Fotografien einen guten Ruf erworben. Unter dem Historiker Masát kam zusätzlich das geschichtliche Interesse zum Durchbruch. „Raoul Wallenberg – Mensch in der Unmenschlichkeit“, unter diesem Titel widmete sich eine Konferenz dem schwedischen Diplomaten, der ungarische Juden vor der Deportation durch die Nazis zu bewahren versuchte. Dieser Tage feierte man die Verleihung des Literaturnobelpreises an Imre Kerész. Gern möchte Professor Masát die Hungarologie von der Humboldt-Universität in das neue Haus unweit vom Bahnhof Friedrichstraße ziehen. Da wäre auch die studentische Jugend ständig im Haus.

Das Tschechische Zentrum hat sein abseits gelegenes und teures Domizil schon vor mehr als einem Jahr verlassen – und direkt am einstigen Checkpoint Charlie ein scheinbar bescheidenes, aber höchst stilvoll eingerichtetes Quartier bezogen. Unten zieht die gut geführte Galerie die Besucher an, unterm Dach bieten helle, teils nur durch Glaswände getrennte Räume Gelegenheit zum Lesen, Reden, Hören und Schauen.

Als er in dem Gebäude Ecke Zimmerstraße zum ersten Mal das alte Treppenhaus sah, fühlte sich Jan Bondy, der das Zentrum seit 1998 leitet, an Prag erinnert. Veranstaltungen außer Haus helfen, neues Publikum zu gewinnen, sagt der erfahrene Kulturmanager, aber unverwechselbar tschechische Atmosphäre erlebt man nur im CzechPoint. Bei Ausstellungseröffnungen wie jüngst mit Fotografien des Jugendstilmalers Alfons Mucha, einer Zusammenarbeit mit dem Institut Français, wird es gerne eng. Bei den monatlichen Filmabenden im Babylon sieht man dagegen viele lichte Stuhlreihen. Geht das Interesse an der osteuropäischen Kultur bereits wieder zurück? Man sorgt sich im Tschechischen Zentrum.

Die Kunst, nicht übersehen zu werden

Die Kulturinstitute spüren mehr als je die Gesetze des Marktes. Das Publikum fällt ihnen nicht mehr so automatisch zu wie einst in Ost-Berlin, wo sie kleine Fenster zur Außenwelt öffneten. „Berlin ist eine offene Stadt“, sagt Ruxandra Demetrescu, und das schließt alle Möglichkeiten ein – auch jene, übersehen zu werden. Darum hat es auch das kleine Bulgarische Institut, nicht weit vom CzechPoint gelegen, nicht leicht. Die Ausstellungen und Konzerte erreichen vor allem ein Stammpublikum, und trotzdem ist Hausleiter Victor Paskow, der auch als Schriftsteller in Deutschland Beachtung fand, zuversichtlich. Die Präsenz aufrecht zu erhalten, das sei gerade in Berlin ein Versprechen für die Zukunft.

Von solchem Optimismus zehrt auch das erst vor gut einem Jahr neu gegründete Slowakische Institut. Die räumliche Nähe zum CzechPoint ist zufällig und kann doch symbolisch verstanden werden. Man hat eben eine gemeinsame Vergangenheit. Unter der Leitung von Peter Krupár, wiederum einem Kunsthistoriker, werden in den wohltuend lichten Räumen Fotografen und Maler ausgestellt, die modern und doch nicht modisch wirken. Slowakische Kunst und Literatur, vielleicht noch der Film, erweisen beim Kennenlernen eine unerhörte Frische. Überhaupt: In allen Häusern unserer alten, neuen Nachbarn herrscht eine kreative Spannung, von der Berlin nur profitieren kann.

Kontakte:

Bulgarisches Kulturinstitut : Leipziger Str. 114-115, 10117 Berlin, Telefon: 2299527, Fax 2299526. E-mail: bulcult@face-bulgaria.net ;

Polnisches Institut in Berlin, Karl-Liebknecht-Str. 7, 10178 Berlin, Telefon 247581-0, Fax 24758130. E-mail: info@polnischekultur.de ; Internet: www.polnischekultur.de ;

Rumänisches Kulturinstitut Titu Maiorescu: Koenigsallee 20a, 14193 Berlin, Telefon & Fax: 89091232. E-mail: rumaenisches.kulturinstitut@t-online.de .

Slowakisches Institut , Zimmerstr. 27, 10969 Berlin, Telefon 25899363, Fax 25899364. E-mail: slowakisches.institut@ botschaft-slowakei.de ;

Tschechisches Zentrum – CzechPoint: Friedrichstr. 206, 10969 Berlin, Telefon 2082592, Fax 2044415. E-mail: ccberlin@szech. cz.; Internet: www.szech-berlin.de ;

Ungarisches Kulturinstitut , Karl-Liebknecht-Str. 9, 10178 Berlin, Tel. 2324738, Fax 2423447. E-mail: masat@hungaricum.de ; Internet: www.hungaricum.de

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