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Kultur: Auf der Luxusliege

Von der Antike bis zur Avantgarde: In Zeiten der Krise behält die Tefaf Maastricht ihre magische Anziehungskraft

Am Tag vor dem Beginn der amerikanischen Angriffe auf den Irak erwarb er sein erstes Kunstwerk, die um 1657 datierte Rembrandt-Radierung „Agony in the Garden“. Stolz sitzt Brahm Wachter, der 13 Jahre alte Sohn des New Yorker Experten für Alte Meister bei Sotheby’s, am Stand von David Tunick und deutet auf die goldgerahmte kleinformatige Pretiose, die er sich von seinem Bar-mitzvah Geld geleistet hat. Die Summe, die der jüngste Sammler der „The European Fine Art Fair“ (Tefaf) in Maastricht in seine Premiere als Kollektor investierte, liegt mindestens im fünfstelligen Bereich, sie könnte auch mühelos die Millionengrenze überschreiten, berücksichtigt man die Marktwerte für entsprechende Arbeiten des Holländers.

Zehn Radierungen hat Tunick in der ersten Messewoche verkauft, was seine Erwartungen weit übertraf: „Ich hatte meine Mitarbeiter auf das Schlimmste vorbereitet – no sales at all – und bin deshalb sehr erleichtert“, meint der New Yorker Händler. Allerdings gäben seine Landsleute in diesem Jahr deutlich weniger Geld für die Kunst aus, denn „sie wollen liquide bleiben“. Auch für die Zukunft erwartet Tunick einen starken Rückgang der Geschäfte, den er sogar ins Positive wendet: „Wenn man nichts verkauft, muss man selbst kaufen“. Insgesamt zufrieden mit der Messe ist auch Leigh Morse, die Direktorin der New Yorker Salander-O’Reilly Galerie, obwohl das absolute Spitzenstück der Tefaf, Gianlorenzo Berninis zehn Millionen Dollar teure Terrakotta-Skulptur von Meeresgott Neptun noch auf ihren Investor wartet. Die Kunsthändlerin wappnet sich mit Gelassenheit: „In dieser Preiskategorie wäre Ungeduld naiv“.

Den Schauplatz seiner ersten großen Liebe hätte Nachwuchssammler Brahm Wachter trotzdem kaum besser wählen können. Selbst in den von Wirtschaftskrisen und Kriegsausbruch belasteten Tagen, beweist der Welt prunkvollste Kunst- und Antiquitätenmesse ihre nahezu ungebrochene Anziehungskraft auf die internationalen Kunstliebhaber. Schon der Parcours-Auftakt streichelt die Sinne. Durch eine Naturtapete aus 55 000 gelben, rosaroten und weißen Rosen geht man immer beschwingter zur „Place de la Concorde“ dem ersten Knotenpunkt, an dem die „Big Shots“ unter den durchweg renommierten Händlern in ebenso noblen wie stimmungsvollen Interieurs logieren.

Der Maastrichter Noortman zum Beispiel, der sich schon am Abend der Eröffnung über mehrere Verkäufe freute, darunter Claude Monets „La Chapelle de Notre-Dame de Grace, Honfleur“ von 1874 für 875 000 Euro. Nachbar Johnny van Haeften, der in London etablierte überragende Spezialist für Holländische und Flämische Alte Meister, entzückte mit einer in Teamwork von Joos de Momper und Jan Brueghel d. Ä. um 1620 entstandenen Frühlingslandschaft für satte 1,5 Millionen Pfund und dem – auch im Hinblick auf den Preis von 1,9 Millionen Pfund – atemberaubenden Meisterwerk von Eglon Hendrik van der Neer „Figures in an Elegant Interior“ aus dem Jahr 1678.

Zwar wurden rund 25 000 Besucher weniger gezählt als im vergangen Jahr, doch war es dem einen oder anderen, wie dem neben van Haeften platzierten Konrad Bernheimer, früher manchmal sogar „beinahe etwas zu voll“. Der Münchner Händler, der nach dem Kauf der Londoner Kunsthandlung Colnaghi mit „Bernheimer – Colnaghi“ zu den Spitzenhändlern des Altmeistermarkts gehört, zieht eine positive Bilanz der Tefaf-Woche. Er hat zwar bisher sein Highlight noch nicht verkauft, Willem Cornelisz. Duysters lyrisches Musikantenporträt „Musical Company“ für 880 000 Euro, wohl aber das schwungvoll-virtuose Gemälde von Carle Vernet „Retour de Chasse“ an die Münchner Staatsgemäldesammlungen vermittelt. Auch seine US-Sammler muss er nicht missen, er wird im Gegenteil nach der Messe zwei Bilder in die Staaten transportieren. Auf den Handel mit Amerika habe der Irak-Krieg seiner Meinung nach keine Auswirkung. „Allerdings führt die wirtschaftliche Situation dazu, dass sich Kaufentscheidungen verlangsamen“, beobachtet er. „Die Nachgeschäfte werden deshalb zunehmend wichtiger“.

Norddeutsch etwas spröder resümiert der Bremer Achim Neuse die Messewoche, obwohl er „hervorragend an private wie öffentliche Sammler aus Europa und den USA“ verkauft habe. „Die politische Situation ist irritierend und auch deprimierend“, sagt er, „aber die Leute wollen sich auch in unsicheren Zeiten etwas gönnen“. Wie jener Schweizer Sammler, der am Stand von Salis & Vertes Picassos Goache „Maler und Modell“ aus dem Jahr 1970 kaufte, „als Statement gerade, weil der Krieg ausgebrochen ist“, wie Galerist Czaba von Vertes erzählt.

Den Preis für den schönsten Stand könnten sich mehrere Händler teilen. Vielleicht gelang den Londoner Pelham Galleries die beschwingteste Atmosphäre mit einer Regency Chaiselongue von 1805 im Zentrum, entworfen von Thomas Hope, deren Seitenwände zwei Windhunde mit güldenem Halsband flankieren. Das Boston Museum of Fine Arts erwarb die Luxusliege. Noch andere Auszeichnungen könnten vergeben werden, zum Beispiel der für das mondänste Objekt, einen Palisander-Paravent von Borsani aus dem Jahr 1930, den der Brüsseler Art déco Experte Philippe Denis neben anderen Extravaganzen offerierte.

Tefaf Maastricht noch bis zum 23. März, Sonnabend 11–19, Sonntag 11–18 Uhr. Informationen im Internet unter www.tefaf.com .

Eva Karcher

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