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Kultur: Auf der schönsten Klippe von Capri: Annäherungen an das legendäre Refugium des Schriftstellers Curzio Malaparte

Über die Jahre hinweg tauchte in Büchern zur Architekturgeschichte immer wieder ein fremdartiges, faszinierendes Gebäude auf, die Casa Malaparte auf Capri, zugeschrieben meist Adalberto Libera, einem Hauptvertreter des Rationalismus zur Zeit Mussolinis. Das Haus mit seiner dachbreiten Außentreppe passte so recht in kein gängiges Stilschema.

Über die Jahre hinweg tauchte in Büchern zur Architekturgeschichte immer wieder ein fremdartiges, faszinierendes Gebäude auf, die Casa Malaparte auf Capri, zugeschrieben meist Adalberto Libera, einem Hauptvertreter des Rationalismus zur Zeit Mussolinis. Das Haus mit seiner dachbreiten Außentreppe passte so recht in kein gängiges Stilschema. Ein Außenseiter - wie sein Eigentümer und Namensgeber, der Schriftsteller Curzio Malaparte.

Nicht zuletzt die traumhafte Lage auf einem Felssporn der zerklüfteten Ostküste Capris hat die lange Zeit verdämmernde Villa vor dem Vergessen bewahrt. Als Kulisse wurde das Gebäude weltberühmt durch Jean-Luc Godards Film "Der Verrat" von 1962, gedreht fünf Jahre nach dem Krebstod des Autors. Es blieb das Bild des Hauses gewärtig, während die reale Substanz verfiel; endlich, vor rund zehn Jahren, konstitutierte sich unter Mitwirkung der Erben eine Stiftung, die die Wiederherstellung des Bauwerks betrieb und eine neue Nutzung für Stipendiatenaufenthalte erdachte. Eine solche Nutzung bedarf breiten Rückhaltes - nach den Erfahrungen, die bereits Malaparte mit dem schönen, aber unzweckmäßigen Haus machen musste.

So ist zum Beispiel die einzigartige, archaisch anmutende Treppe quer über den ganzen "Rücken" das Hauses hinauf auf die Dachterrasse den ständigen Wasserschäden geschuldet, die der Ursprungsentwurf unter dem unausgesetzt anbrandenden Meer erleiden musste. Zunächst war der Eingang an dieser Stelle mittig angeordnet. Eine genauere Untersuchung der Bauchronologie widerlegt überhaupt das Bild vom genialen Entwurf: Es war vielmehr ein Prozess, der von den ersten Überlegungen gegen 1938 über die vorläufige Fertigstellung im Jahre 1940 bis zu den abschließenden Veränderungen 1945 reicht. Gerade weil es sich aber um einen Prozess im Kampf mit den Urgewalten der Natur handelte, schälte sich die Autorschaft Malapartes um so deutlicher heraus, so dass in der Tat, wie es eine weniger historische denn romantische Sicht seit jeher wollte, von dem einen einzigen und noch dazu epochalen Bau eines Nicht-Architekten gesprochen werden darf, eine nachträgliche Bestätigung der Feststellung des Dichter-Journalisten, una casa come me, "ein Haus wie ich" geschaffen zu haben - "aber welches Ich?"

Welches Ich, das versucht eine Neuerscheinung weniger zu ergründen als vielmehr auf tausenderlei Wegen einzukreisen, die jetzt dem Haus und seinem Erbauer gewidmet ist. "Malaparte. Ein Haus wie ich" ist die von Michael McDonough zusammengestellte Anthologie überschrieben, erstveröffentlicht im letzten Jahr des alten Jahrhunderts, dem Malaparte auf seine Weise den Spiegel vorgehalten hat. Ein Wanderer zwischen den Ideologien dieses 20. Jahrhunderts war er, nacheinander Faschismus und Kommunismus huldigend und zuletzt zum Katholizismus sich bekennend.

In Wahrheit hatte Malaparte dabei immer nur eines im Sinn: sich selbst. Geboren 1898 als Sohn eines deutschen Textilingenieursund eine einer Italienerin, änderte Kurt Erich Suckert seinen Namen 1925 in Curzio Malaparte, dergestalt deutlich machend, dass er sein Leben als Entwurf betrachtete, als Theaterspiel, dessen vielfältige Rollen er nach- und nebeneinander ausprobierte, vom Revolutionär über den Politiker, den Journalisten und Widerständler bis eben zum Dandy-Literaten, der er am längsten und intensivsten war. Wenn man in ihm nicht überhaupt den geltungssüchtigen Opportunisten sehen will, so war er jedenfalls ein Ruheloser in einer ruhelosen Zeit, deren bitteren Ernst er als Kriegsberichterstatter an den Fronten der Wehrmacht erfuhr.

Auf der richtigen Seite

Zwischenzeitlicher Erfolg und anhaltende Protektion ermöglichten ihm den Bau seines Hauses auf der Punta del Massullo von Capri, ein Rückzugsort, der wohl gerade durch seine Unzugänglichkeit um so stärkere Präsenz ausstrahlte - bis hin zu Generalfeldmarschall Rommel, der auf dem Weg zur nordafrikanischen Front 1942 hereinschaute. Ob in den Mauern des Hauses mit den trunken machenden Ausblicken über die Elemente, auf Felsen und Meer unter endlosem Azur, vor dem Kamin oder auf dem an Le Corbusier erinnernden Sonnendeck, tatsächlich die großen Fragen von den Großen aus Politik und Kunst erörtert wurden, wie das Buch glauben machen will, bleibe getrost dahingestellt.

Derlei Details erzählen die Beiträge des vorliegenden Buches besonders gern, sind sie doch Mosaiksteine zum Bild des geheimnisumwitterten Schriftstellers, der sich als Außenseiter geriert und doch immer bemüht war, auf der richtigen Seite zu stehen. Und da liegt die Schwäche des verschwenderisch reich gestalteten und hervorragend illustrierten Buches. Indem es immer wieder neue Anläufe nimmt, im Bild des Capri-Hauses die Person des Autors zu fassen, gerät es zunehmend in Abwandlungen der immergleichen Metaphern, auch der Klischees; und es ist erfrischend, im Beitrag von Arata Isozaki - der als Architekt die Bedeutung des Hauses nüchtern zu würdigen weiß - die Formulierung vom "Kitsch des Erhabenen" zu finden. Was das Buch weitgehend verabsäumt, ist eine architekturhistorische Einordnung; dann wären Bemerkungen einzelner Mitautoren über Adalberto Libera wie die vom "aufstrebenden jungen Architekten" herauslektoriert worden, war Libera doch alles andere als der Handlanger frühester Baupläne, als der er hier kleingeredet wird, sondern einer der exponiertesten Architekten des faschistischen Italien.Zu der Zeit, da Malaparte ihn um den Entwurf einer "kleinen Villa" bat - auf den sich denn auch die Baugenehmigung von 1938 bezieht -, war er immerhin mit dem Prestigeprojekt des Kongresspalastes für die geplante Weltausstellung von 1942 beschäftigt.

So fällt das Buch eher ins Genre der Huldigungsschriften, in seinem ästhetischen Anspruch wohl bewußt nahe dem Ästhetizismus seines Protagonisten. Ob es schon eine Malaparte-Renaissance gibt, auf deren Woge dieses Buch als Flaggschiff reiten will ? Zweifellos kommt es einem sehr gegenwärtigen Bedürfnis weniger nach Persönlichkeit als vielmehr nach personality entgegen. Es erzählt das Leben, Schreiben und Kämpfen seines Helden als Film - vor einer Filmkulisse, die in Gestalt der Casa Malaparte zu Stein geworden ist.Michael McDonough (Hrsg.): Malaparte. Ein Haus wie ich. Knesebeck Verlag, München 2000, 200 Seiten, 260 Abb., Leinen 128 Mark.

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