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Kein Budget, aber eine Vision. Robert Gwisdek spielt einen Regisseur, dem die Fördergelder gestrichen werden.

© Missing Films

Kohlhaas als Film mit Robert Gwisdek: Auf hohlen Rossen

Eigentlich wollen sie ein Schlachtgemälde mit Waffen, Pferden und Pyrotechnik verwirklichen. Aber dann fällt die Filmförderung flach. Aus dieser Panne erwächst die Kino-Groteske „Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“.

Wiese im Allgäu, außen, Tag: Bevor das Team, das da im satten Grün steht, gemeinsam mit Lehmann (Robert Gwisdek) die Kleist-Novelle „Michael Kohlhaas“ verfilmt, versucht der Regisseur die belämmert ausharrende Truppe zu motivieren. Auf einem Gaul sitzend entwirft der verstrubbelte Enthusiast die Vision eines großartigen Schlachtgemäldes mit Pferden, Waffen, Pyrotechnik. Dann aber macht ein Anruf das Projekt zunichte. Fördergelder und Portokasse sind futsch, der Pferdeverleih nimmt Lehmann das stolze Tier unterm Hintern weg und der größere Teil des Teams macht sich inklusive Busfahrer aus dem Staub.

Die Geschichte, die Aron Lehmanns Film „Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ erzählt, ist von Anfang an keineswegs die seriöse Klassikerverfilmung, nach der die restaurative Stimmung in der deutschen Filmbranche zu schreien scheint. Stattdessen: Heimatfilmgroteske, absurde Film-im-Film-Klamotte, Parodie auf gängige Dokudramen, Satire auch auf die modische Marotte, immer mehr Filme von immer mehr filmverrückten Selbstausbeutern als No-Budget-Rekordleistung auszuloben. Nicht ganz zuletzt nimmt sich Aron Lehmann frech fröhlich heraus, Kleists wilde Männerfantasie als Zeitgeistkommentar zu covern und so den Literaturverfilmungs-Didaktikern ein Schnippchen zu schlagen.

Volker Schlöndorff adaptierte den Stoff 1968 mit dem stoischen David Warner als pseudobarockem lonesome rider und einer puppenhaften Anna Karina als Kohlhaas’ Frau. Der Vorspann, eine Kompilation von Wochenschauaufnahmen der weltweiten Proteste jener Zeit, gab den moralischen Kompass vor. Achtung, Gewalt erzeugt Gegengewalt und was zu viel ist, ist zu viel. Höhepunkt der Gewaltspirale: Amokläufer Kohlhaas wird, anders als in der Novelle, grausam gerädert.

Das französisch-deutsche Breitwand-Opus „Michael Kohlhaas“ von Arnaud des Pallières, in Cannes vorgestellt und ab 12. September im Kino, setzt dagegen auf das sinnlich wuchtige Erlebnis. Gedreht bei rau pfeifendem Wind im herbstlichen Helldunkel der kahlen Cevennen, entwirft der Film ein historisches Gesellschaftsbild im Widerstreit zwischen Natur und Zivilisation. Verhandelt wird die Kluft zwischen Recht und Gerechtigkeit; Kohlhaas (Mads Mikkelsen) besteht auf dem Rechtsgefühl eines freien, mit protestantischer Gewissensfreiheit begabten Individuums.

Aron Lehmanns Attacke wiederum auf die Armut, die seinen Regisseur an der großen „Kohlhaas“-Inszenierung hindert, macht die Tragödie zur Farce und den Besessenen zum Don Quichote. So reitet der Protagonist zum Kampf gegen die Schänder seiner Pferde und Mörder seiner Frau auch schon mal auf Milchvieh ein. Gehäkelte Harnische werden angelegt, imaginäre Pfeile aus dem Köcher gezogen. Und der Filmkünstler als verzweifelter Borderliner macht auch allein weiter, unbeirrt.

Babylon Mitte, Cinemaxx, Eiszeit,

FT am Friedrichshain, Kant, Passage

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