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AUF Schlag: Socken- Abo

Rainer Moritz über Rundumversorgung

Ich habe keine Zeit, Sie haben keine Zeit – für nichts und niemanden findet sich mehr ein Zeitfenster, wie moderne Leute sagen. Das ist ein Klischee, klar, so wie die Formel von der Schnelllebigkeit der Zeit, unter der schon Noah litt, als er seine Tierpärchen vor dem Unwetter flugs in die Arche scheuchte. Doch Klischees haben Wahres an sich, und so leiden in der Tat alle darunter, nicht einmal das Notwendigste erledigt zu bekommen. Geschweige denn die Abstellkammer aufzuräumen oder endlich die lieben Verwandten in der Oberpfalz zu besuchen. Wann zum Beispiel ist Muße, meine Garderobe aufzufrischen oder das dringend erforderliche Jackett zu erstehen?

So dachte ich neulich – als sich plötzlich die Rettung in meinem Maileingangsordner fand. Der Internetlieferant Herrenausstatter bietet gestressten Bürgern, also mir, ein Socken-Abo an: „Ersparen Sie sich die lästige Pflicht, an die von Zeit zu Zeit notwendige Neubestückung Ihrer Socken oder Kniestrümpfe zu denken.“ Was für eine glanzvolle Idee!

Offenkundig erhielten die Betreiber dieses Quartalservices Einblick in meinen Kleiderschrank und sahen das Chaos ausgeleierter Bündchen, verschlissener Farben und fadenscheiniger Fersenpartien. Aber wann, bitte, hätte ich in den letzten Wochen Socken kaufen sollen? Ich werde dieses Abonnement sofort einrichten und künftig regelmäßig „Classic Cotton uni“-Strümpfe zugeschickt bekommen, mit Rabatt!

Und warum diesen Kundendienst auf Kleidungsstücke beschränken? Wäre es nicht auch hilfreich, Spaghetti und Hülsenfrüchte zu abonnieren? Oder automatisch alle Fortsetzungen von „Vom Winde verweht“, die neuesten Weihnachts-CDs von Semino Rossi und Helene Fischer im Briefkasten vorzufinden? Es genügt nicht mehr, den Tagesspiegel zu beziehen, nein, ich will alles derart organisiert wissen, dass ich – errechnet nach meinen Trinkgewohnheiten – einmal im Monat unaufgefordert meinen Hausrotwein bekomme. „Sie müssen keinen Gedanken verschwenden“, schreiben mir die Sockenlieferanten aus dem Netz, und ehrlich gesagt, ist mir damit aus dem Herzen gesprochen, denn sich Gedanken zu machen, das kostet die meiste Zeit.

Alles möchte ich natürlich nicht im Abo erhalten. Auf DVDs der sturzfaden „Schmidt & Pocher“-Sendungen zum Beispiel verzichte ich gern. Mir diese zu Gemüte zu führen, wäre ja wiederum die reine Zeitvergeudung. Da erfreue ich mich lieber an tadellosen rutschfesten Kniestrümpfen aus hautfreundlichem Material.

Rainer Moritz

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