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AUFGESCHLAGEN Zugeschlagen: Ziegenhüten am Potsdamer Platz

Denis Scheck, Literaturredakteur im Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (heute, 1. 9.

Denis Scheck, Literaturredakteur im Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (heute, 1. 9., 23.50 Uhr, mit Monika Maron und Peter Stamm).

10) Martin Suter: Allmen und die Dahlien (Diogenes, 213 Seiten, 18,90 €)

Das Talmihafte dieses bräsigen Serienkrimis um ein gestohlenes Dahliengemälde von Henri Fantin-Latour offenbart sich, wenn Martin Suter etwa einen „Sportwagen“ beschreibt, „einen Wartburg aus den fünfziger Jahren“. Das ist mehr als ein Fauxpas, sondern steht für das zutiefst Unstimmige in Suters Milieuschilderungen: Mit einem guten Krimi hat dieses Buch so viel zu tun wie DDR-Rennpappe mit einem Aston Martin.

9) Uwe Timm: Vogelweide (Kiepenheuer & Witsch, 336 S., 19,99 €)

Was tun, wenn das Begehren alle Konventionen brüchig werden lässt? Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu: Uwe Timm hat einen elektrisierend modernen Roman über Ehebruch und das Leben in den Trümmern bürgerlicher Existenzen nach dem großen Liebesrausch geschrieben: Johann Wolfgang von Goethes „Wahlverwandtschaften“ für das 21. Jahrhundert.

8) Alex Capus: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer (Hanser Verlag, 288 Seiten, 19,90 €)

Drei Lebensläufe von drei Menschen, die absolut nichts miteinander zu tun haben, außer dass sie sich an einem Tag ihres Lebens einmal am Zürcher Hauptbahnhof kurz hätten sehen können: Diese abstruse Konstruktion wählt Alex Capus für seinen neuen Roman. Zwar hat mich dieses Buch bisweilen gut unterhalten, insbesondere in den Passagen über Heinrich Schliemann und Arthur Evans, unterm Strich aber bleibt es eine blutleere formale und deshalb eben abstruse Pflichtübung. Mag sein, dass solche Bücher geschrieben werden müssen. Gelesen werden müssen sie nicht.

7) Sarah Lark: Zeit der Feuerblüten (Bastei Lübbe, 912 Seiten, 18 €)

Mühselig, unmenschlich hart und strapazenreich war es, 1837 aus Mecklenburg nach Neuseeland auszuwandern, wovon dieses Buch erzählt. Mühselig, unmenschlich hart und strapazenreich ist aber auch die Lektüre dieses von A bis Z vorhersehbaren und daher strunzlangweiligen Kitschromans. Noch so ein Klopper, und ich wandere auch aus.

6) Joel Dicker: Die Wahrheit über den Fall Henry Quebert (Deutsch von Carina von Enzenberg, Piper Verlag, 736 S., 22,99 €)

Joel Dicker ist ein 28 Jahre alter, Französisch schreibender Schweizer. Sein in einer amerikanischen Kleinstadt angesiedelter Roman war 2012die große Sensation im französischen Literaturbetrieb, doch wer dieses Buch in der Erwartung einer echten literarischen Erfahrung zur Hand nimmt, wird enttäuscht werden. „Die Wahrheit über den Fall Henry Quebert“ ist ein überkonstruierter Krimi über einen Schriftsteller mit Schreibblockade, der einen über 30 Jahre zurückliegenden Mord aufklärt, für den ausgerechnet sein Mentor als dringend tatverdächtig gilt. Wer auch nur eine Minute über die irrwitzige Handlung dieses Schmökers nachdenkt, merkt, dass Dickers Roman allenfalls Unterhaltungsware ist.

5) John Grisham: Das Komplott (Deutsch von Bea Reiter und Imke Walsh-Araya, Heyne Verlag, 448 Seiten, 22,99 €)

Ein zu Unrecht zu zehn Jahren Gefängnis verurteilter schwarzer Anwalt nimmt Rache. Nichts weniger als eine US-amerikanische Fassung des „Grafen von Monte Christo“ hat Grisham hier geschrieben. Was dem Buch an stilistischer Finesse fehlt, macht es an Spannung wett.

4) Nina George: Das Lavendelzimmer (Knaur Verlag, 384 Seiten, 14,99 €)

Die Handlung dieses Schmachtfetzens: Ein an seinen Liebesblessuren leidender 50-Jähriger betreibt seit 20 Jahren in Paris eine Schiffsbuchhandlung, wo er jedem geschundenen Seelchen ein literarisches Trostpflästerchen verschreibt. Eines Tages kappt er die Leinen und schippert los ... Das ist in etwa so glaubhaft wie ein Roman über eine Ziegenhirtin auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Viele sogenannte Frauenromane sind albern, krude oder klischeebeladen. „Das Lavendelzimmer“ ist alles drei, darüber hinaus aber auch noch dumm, und diese Dummheit versucht dieses Buch unter einer dicken Bildungstunke zu tarnen: ein Schaf im Wolfspelz.

3) Kerstin Gier: Silber (Fischer FJB Verlag, 416 Seiten, 18,99 €)

Trittbrettfahrer gab es im Jugendbuchbereich schon immer. Was Kerstin Gier in ihrem Buch über zwei auf eine Schule in London wechselnde deutsche Schwestern macht, ist aber dreister: Alles im Auftaktband ihrer neuen Trilogie ist längst bekannt von J. K. Rowling, Stephenie Meyer und Mutter und Tochter Cast von „House of Night“. Dies ist der Versuch, literarisches Gammelfleisch einfach umzuetikettieren.

2) Timur Vermes: Er ist wieder da (Eichborn Verlag, 396 Seiten, 19,33 €)

Ein Comeback des wiederauferstandenen Adolf Hitlers in der Berliner Republik: Ich gebe zu, dies könnte der Stoff für ein großes satirisches Feuerwerk sein. In den Händen von Timur Vermes ist es aber leider nur ein Knallfrosch.

1) Dan Brown: Inferno (Deutsch von Axel Merz und Rainer Schumacher, Lübbe Verlag, 685 Seiten, 24 €)

Auf sämtlichen Bestsellerlisten der westlichen Welt steht seit Monaten ein Buch auf Platz eins, das – ein Schmarren ist. Aber zugegebenermaßen ein sehr spannender Schmarren. Das Beste, was man von diesem in Florenz, Istanbul und Venedig spielenden neuen Abenteuer von Dan Browns Symbologen Robert Langdon sagen kann, ist vielleicht, dass es einen unter 100, 1000 oder 100 000 Lesern zu Dan Browns Inspirationsquelle, Dantes „Inferno“, führen wird. Denn wie schreibt Dante so schön: „Aus einem kleinen Funken folgt oft eine große Flamme.“

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