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Auktionen: Das neue Gold

Die New York Auktionen verblüffen mit Rekorden für Nachkriegskunst. Das teuerste Bild der Auktionen gehörte dem Modemacher Tom Ford.

Alle Prognosen waren richtig. Bei den Prestige-Auktionen in New York klopfte sich der Markt für die Contemporary Art, der im Jahr 2008 gestrauchelt war, den Staub von den Kleidern. Nun geht es wieder aufrecht voran. Erst brachte bei Christie’s Jasper Johns’ Flaggenbild aus der Sammlung von Michael Crichton einen satten Preis von 28,6 Mio. Dollar. Ersteigert wurde sie durch den Vertreter einer auf amerikanische Kunst spezialisierten Galerie aus Pennsylvania, zweifellos für einen patriotischen Kunstfreund. Diese Flagge – eigentlich werden sie nie versteigert – wurde 1966 fertiggestellt. Wer weiß, was eine der ersten von 1954 oder 1955 heute kosten würde.

Dieser Rekordpreis wurde dann am nächsten Abend bei Sotheby’s gleich zweimal spektakulär übertroffen – erst durch Andy Warhols großes, indigoblaues Selbstporträt, das auf zehn bis 15 Mio. Dollar geschätzt wurde und für erstaunliche 32 Millionen Dollar an den neuen Besitzer ging. Und dann dank eines großen Gemäldes von Mark Rothko von 1961, das auf 18 bis 25 Mio. angesetzt war und 31,4 Mio. Dollar brachte. Auf dem Höhepunkt des Marktes 2007 hätte dieses Bild 30 bis 40 Mio. gekostet, ließ Sotheby’s-Auktionator Tobias Meyer vergangene Woche wissen. Der Zuschlag zeigt, wie schnell der Markt nun wieder dem alten Niveau zustrebt.

„Bei allen Toplosen war das Bieten global“, sagte Meyer und gab damit auch schon die Erklärung für den schnellen Wiederaufstieg. Sammler und Kunstinvestoren in aller Welt sehen in solchen Kunsttrophäen, die nie wieder hergestellt werden können, die perfekte Fusion von Wertsicherung gegen Geldverfall und Lifestyle-Investition. Was nichts anderes heißt, als dass die Kunst das neue Gold ist.

Den besten Eindruck der vor Übermut sprühenden globalen Nachfrage gab der große Warhol, das königsblaue Selbstporträt mit den wie elektrisiert zu Berge stehenden Haaren seiner Kunststoffperücke. Der Clou an dem Bild ist seine schiere Größe. „Man sieht es im Katalog, aber wenn die Sammler dann kommen, verschlägt es ihnen die Sprache“, erklärte Sotheby’s-Spezialist Anthony Grant. Es kamen Kenner mit Geld aus aller Welt oder, wie Tobias Meyer sie beschrieb, „intelligente Leute, die in die Zukunft sehen. Denn dieser Warhol wird morgen, was heute das Seerosenbild von Monet im Metropolitan Museum ist“.

Fünf dieser Warhols gibt es, drei hängen in Museen, ein viertes in Rot gehört dem Sammler Peter Brant, der es 2002 bei Phillips de Pury ersteigerte: für 3,2 Mio. Dollar und damit für ein Zehntel des jetzigen Preises. Das nun verkaufte blaue Bild besaß übrigens Modeschöpfer und Filmregisseur Tom Ford, der es 1998 direkt aus der Ausstellung in der Londoner Galerie Anthony d’Offay kaufte. Er soll den Verkauf per Internet in seiner Londoner Wohnung verfolgt haben.

Für die Statistiker lieferte Sotheby’s die interessanteste Zahl: Die Gesamteinnahme der Abendauktion betrug 190 Mio. Dollar. Das zeigt, wie weit man schon wieder gekommen ist seit Mai 2009, als bei diesem Galatermin nur 47 Mio. Dollar zusammenkamen. Wichtiger ist aber, dass Sotheby’s damit fast die Gesamteinnahme seiner keinesfalls schlecht bestückten Moderne-Auktion in der Vorwoche von 195 Mio. Dollar erreichte. Anders als bei Christie’s, wo beide Auktionen höhere Beträge einspielten, verzerrten hier nicht Sondersammlungen wie der Nachlass von „Jurassic Park“-Autor Michael Crichton den Vergleich. Nur einmal, kurz vor dem Crash, war der Contemporary-Markt stärker als der Moderne-Markt. Mit dem Crash zogen sich die Käufer jedoch schnell auf das Bewährte zurück. Nun aber scheint die klassische Nachkriegskunst tatsächlich auf der Überholspur. Bestärkt wurde dies durch die Auswahl der Superlose: Fast alle waren Klassiker aus den sechziger und siebziger Jahren, amerikanische dazu, Ikonen der Popkultur und der folgenden Avantgarde. Eben die „Monets der Zukunft“. Auf den Katalogen steht zwar „Contemporary Art“, aber dies ist ein bisschen Etikettenschwindel.

Warhol war der Gewinner der Woche. Das Zögern des Marktes nach dem Preisrutsch war spürbar. Dann wurde letzten November in New York Warhols Bild „200 Dollar Bills“ für 43 Mio. Dollar verkauft. In den Londoner Februarauktionen gab es einige vorsichtige Einlieferungen weniger exquisiter Werke, die den Test bestanden. Und nun geht es auf ganzer Breite wieder los. „Warhol ist von der Handelsmasse her gesehen der wichtigste Künstler im Nachkriegsmarkt, und es ist wunderbar, dass er sich wieder so gut verkauft“, sagte Christie’s-Expertin Amy Cappellazzo.

Crichtons Sammlung brachte allein für die 31 Spitzenlose der Abendauktion 93,2 Mio. Pfund. Der 2008 an Krebs gestorbene Buchautor war im Nebenberuf Kunstexperte und schrieb u. a. den Katalog für Jasper Johns’ große Retrospektive 1977 im Whitney Museum. Seine teuersten Werke waren Robert Rauschenbergs „Studio Painting“ (11 Mio. Dollar) und Picassos „Femme à la robe rose“ von 1917: ein Porträt seiner strengen Frau Olga, das aus vier Farbfeldern und ein paar genialen Linien besteht, aber mit 4,6 Mio. Pfund unter der Schätzung blieb.

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