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Auktionen: Die Spur der Milliardäre

Nicht überall sitzt das Geld locker. Im mittleren Segment böckelt es. Alte Meister werden teurer, der Preis für deutsche Maler sinkt: Trends der Sommerauktionen.

Augen und Ohren der Klatschjournalisten waren diese Woche auf den 37-jährigen russischen Renditejäger Andrej Igorewitsch Melnichenko gerichtet, der seine neue, 250 Millionen Euro teuere Jacht „A“ in den norwegischen Hafen Kristiansand segelte und dort unter publicityträchtigen Sicherheitsvorkehrungen und außerhalb der Reichweite der EU-Importsteuer drei Gemälde von Edouard Monet an Bord nahm. Das große Rätsel: War auch „Bassin aux nymphéas“ dabei, die Sensation der letzten Auktionssaison, bei Christie’s für 41 Millionen Pfund oder 51 Millionen Euro von einem verschwiegenen Supersammler ersteigert?

Warum sollte der alte Millionärsspruch, dass die Kunst in einem Haus mehr wert sein muss als das Haus selbst, nicht auch für eine Jacht gelten? Melnichenko steht mit 6,2 Milliarden Dollar Vermögen auf Platz 158 der Milliardärsliste, die insgesamt 1062 Namen verzeichnet. Es gibt also noch ein paar andere, die sich eine solche Schiffsfracht leisten können. Was man sah, als der Monet in London versteigert wurde: Bis 30 Millionen waren für jedes Gebot, das Auktionator Christopher Burge entgegennahm, mindestens drei andere Hände in der Luft, die gerne mitgeboten hätten.

In einer von Rezessions- und Geldentwertungswellen gebeutelten Weltwirtschaft empfiehlt sich die Kunst als Finanzalternative. Chelsea-FC-Besitzer Roman Abramowitsch, der sein Spielgeld bisher in Fußballern, teueren Häusern und Jachten konzentrierte, stieg im Mai auf höchstem Niveau in den Kunstmarkt ein und ersteigerte für 86,3 Millionen Dollar ein Francis-Bacon-Triptychon und für 33,6 Millionen Dollar Lucian Freuds nackte Sozialarbeiterin auf dem Sofa. Kenner russischer Milliardärsseelen prophezeiten eine neue Runde eifersüchtigen Wettbewerbs um die größten Trophäen des Kunstmarktes. Tatsächlich lagen im Juni in London wieder Francis Bacons Gemälde an der Preisspitze.

Resümee der Kunstmarktsaison: immer noch steigende Umsätze, steigende Preise, eine Flut von Rekorden. Die Umsätze für das erste Halbjahr liegen rund zehn Prozent über dem Rekordjahr 2007. Christie’s meldete einen globalen Umsatz von 6,3 Milliarden US-Dollar, Sotheby’s liegt 6,2 Milliarden US-Dollar nur wenig dahinter. Der Markt folgt der Spur der Milliardäre nach Osten: Asiens Kunstmarkt legte laut Christie’s um 63 Prozent zu. Chinesische Contemporary Art geht auf die zehn Millionen Dollar zu: Zeng Fanzhis 3,6 Meter breites Werk „Mask Series 1996 No. 6“ wurde im April in Hongkong mit 9,5 Millionen US-Dollar zum teuersten chinesischen Contemporary-Werk.

Doch nicht überall sitzt das Geld so locker. In allen Sparten, vom Porzellan über Möbel bis zu Handzeichnungen, Altmeistergemälden und zeitgenössischer Kunst wird die Spitzenkunst teuer und der Mittelmarkt bröckelt. Nehmen wir die chinesische Contemporary Art. Schon im Februar kam es in der Londoner Abendauktion bei Sotheby’s zu kleineren Unfällen, und die Einlieferungen chinesischer Werke in den Prestigeauktionen wurden reduziert.

Bei Phillips de Pury sah man im Juni, wie weich die Preise waren. Mag der Markt in Hongkong boomen, im Westen wird man vorsichtiger: „Bis eine Million Dollar wird der Markt langsamer, da haben die Leute nicht unbeschränkt viel Geld“, meinte Phillips’ Chinaspezialistin Chin-Chin Yap. „Die wirklich Reichen spüren die Rezession natürlich nicht.“

Also höchste Preise für das Beste, bröckelnde Nachfrage aus bürgerlichen Portemonnaies. In Christie’s Auktion mit Altmeisterhandzeichnungen vergangene Woche wurde nicht einmal die Hälfte der Lose verkauft, weil viele Preise für die schwache Nachfrage zu hoch waren. Doch das Spitzenlos, eine Federzeichnung aus den sagenumwobenen Privatalben des Francisco de Goya, verdoppelte die Schätzung auf 2,2 Millionen Pfund: Das kleine Blatt spielte 35 Prozent der ganzen Auktion ein.

In der Altmeisterauktion des Hauses war Antoine Watteaus seit 200 Jahren verschollenes „La Surprise“ der Ausreißer, ein schwindelerregender, aber durchaus galant gesetzter Kuss, Inbegriff des galanten Genres. Händler Luca Baroni bezahlte nach heftigem Bietergefecht dafür 12,3 Millionen Pfund – womit das Täfelchen, dass man ohne Weiteres in einer Aktentasche unterbringen könnte, fast so viel kostete wie die sechs Tonnen schwere Jeff-Koons-Chromstahlskulptur „Balloon Flower“, die Christie’s eine Woche zuvor für 12,9 Millionen Pfund versteigerte. Der Watteau stellte mehr als die Hälfte des Umsatzes der Auktion, die drei Spitzenlose 75 Prozent.

Die Sammlung des Fürthers Alfred Hoh, über zwei Jahrzehnte ohne Rücksicht auf alle Zeitmoden zusammengestellt, spielte 16 Millionen Pfund ein (20 Millionen Euro). Aber ein Drittel davon entfiel auf das feurige, kubistische Blumenstillleben von Natalia Gontscharowa, das 5,5 Millionen Pfund brachte. Die vier teuersten Lose der Sammlung kosteten zwölf Millionen Pfund. Blätter von wenig bekannten Künstlern, die der Sammler hoch verehrte, wurden dagegen für ein paar hundert Pfund und teilweise unter Taxe verkauft. Überall spiegelt der Kunstmarkt die gesellschaftliche Realität wider: Die Kluft zwischen den Armen, den Normalen und den Superreichen wird immer größer.

Seltsames ereignete sich dann bei Sotheby’s, wo die Krefelder Sammlung Lauffs wieder Spitzenpreise für die exzellente Kunst von Yves Klein einspielte. Nachdem die garantierte Gesamtsumme erreicht war, konnte Sotheby’s in der Folgeauktion dann das weniger Gängige verscherbeln: Erinnert sich noch jemand des hippen Kölner Künstlers Michael Buthe aus den sechziger Jahren, immerhin Documenta-Teilnehmer? Eines seiner Werke aus der Sammlung Lauffs war auf 10 000 bis 15 000 Pfund geschätzt. Als niemand ansprang, wurde der Ausruf mehrfach nach unten korrigiert, bis das Werk einen Käufer fand – bei 625 Pfund!

Nicht ganz so drastisch geht es nun mit den deutschen Malern, die vor drei Jahren noch weltweit Furore machten: Maler wie Tim Eitel, Thomas Scheibitz, Dirk Skreber, Martin Eder, sogar der große Neo Rauch werden in den Prestigeauktionen der Saison nicht mehr angeboten, weil ihre Preise nun wieder im Sinken begriffen sind. Die Kunst der großen Toten steht höher im Kurs als die der Lebenden, deren Zukunft noch ungewiss ist.

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