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Auktionskarussell: Wer jetzt noch kauft, hat zu viel Geld

Die Londoner Auktionshäuser erwarten für Zeitgenossen und Impressionisten Preise wie nie zuvor.

Das Auktionskarussell soll sich in London in den nächsten zwei Wochen noch ein bisschen schneller drehen. Vier Auktionatoren werden Kunst mit einem Schätzwert von 550 Millionen Pfund (660 Mio. Euro) versteigern – es könnten die lukrativsten Auktionswochen überhaupt in London werden.

Wie stark der Markt ist, zeigt Christie’s mit dem nun vorgelegten Ergebnis von 2011: ein Gesamtumsatz von 5,7 Milliarden Dollar. Vor allem die Contemporary Art boomt. Sie lag mit 1,2 Milliarden Dollar klar vor der asiatischen Kunst (890 Mio. Dollar) und der Moderne (883 Mio. Dollar). Christie’s und Sotheby’s aktuelle Contemporary-Auktionen sind im Volumen doppelt so groß wie 2011. Christie’s hat das Starlos: einen seltenen Frauenakt von Francis Bacon mit einer inoffiziellen Schätzung von um 18 Millionen Pfund. Das in sinnlichen, pastosen Schwüngen gemalte „Porträt Henrietta Maraes“ von 1963 ist nicht nur wegen des Sujets eine Rarität, sondern auch wegen seiner leuchtenden Farben. Das Bild kommt marktfrisch aus einer amerikanischen Sammlung.

Aufmerksamkeit wird auch Liz Taylors schönster Schatz erregen: ein Gemälde van Goghs mit der Chapelle de Saint-Rémy, das sie 1963 für 92 000 Pfund in London ersteigerte. 1990 versuchte die Diva ohne Erfolg, das Gemälde zu verkaufen, dem es etwas an Leuchtkraft fehlt. Nun ist es mit fünf bis sieben Millionen Pfund weit höher taxiert als ihre Diamantencolliers und Cartier-Halsbänder.

Dann gibt es Gerhard Richter ohne Ende. Im Herbst erklommen seine Preise ein neues Niveau. Unter einem halben Dutzend hochpreisiger Gemälde gibt es nur ein Motiv nach Fotovorlage: „Eis“, das erste von Richters 1981 begonnener Serie von Arktisgemälden. Die Schätzung liegt mit zwei bis drei Millionen Pfund hinter den Schätzungen der Abstraktionen. Als im Herbst in New York das Fotobild „Frau Niepenberg“ (7-10 Mio. Dollar) zurückging, während zwei Abstraktionen auf 18 bzw. 20 Millionen Dollar kletterten, wurde klar, dass sie inzwischen teurer sind. Der Grund? „Es handelt sich um konzeptuelle Malerei. Sammler verstehen die Gedanken hinter Richters Arbeiten“, so Christie’s Contemporary-Chef Francis Outred. Christie’s hat die schönste Abstraktion – ein Großformat von 1994 in weichen, samtigen Farben mit einer Schätzung von fünf bis sieben Millionen Pfund.

Dritter Star der Auktionen ist Lucian Freud: Sein Tod hat eine Schwemme von Einlieferungen gebracht. Zwei Porträts mit Preisen um 2,5 Millionen Pfund sind dabei, aber wichtiger scheinen hochkarätige Zeichnungen, vor allem eine exquisite Sammlung bei Sotheby’s. Frühe Freud-Zeichnungen wie „Stillleben mit Kakteen und ausgestopftem Vogel“ in Bleistift von 1943 sind immens teuer – 400 000 bis 500 000 Pfund. Dazu kommt bei Christie’s eine Grafik-Sonderauktion – Probedrucke, die von Freuds Drucker Marc Balakijan eingeliefert wurden. Platz für Neuerer und junge Kunst bleibt in dem ganz auf Teures getrimmten Angebot der Abendauktionen wenig – je teurer die Kunst wird, desto mehr gehen Sammler und Auktionen auf Nummer sicher.

Der Auktionsreigen beginnt mit der Moderne. Hier könnte Gustav Klimts „Birken am Seeufer“ bei Sotheby’s überraschen: Es war 109 Jahre lang in einer holländischen Familiensammlung. Die Fachwelt wusste nichts von seiner Existenz, bis sich die Besitzer beim Verfasser des Klimt-Werkverzeichnisses, Alfred Weidinger, meldeten. Die Schätzung liegt bei sechs bis acht Millionen Pfund. Bei der deutschen Kunst ragt neben einem leuchtenden Blumengarten von Emil Nolde (2-3 Mio. Pfund) „Boskett und Dresdner Boskettplatz“ heraus. Es ist das letzte Bild, das Ernst Ludwig Kirchner vor seinem Umzug nach Berlin in seiner Heimat Dresden malte. Mit fünf bis sieben Millionen Pfund ist die Schätzung ehrgeizig.

Zwei Sammlungen stehen im Vordergrund: Der Nachlass des Hamburger Philanthropen Hubertus Wald mit einem Schätzwert von 13 bis 30 Millionen Pfund spiegelt den Geschmack der 70er Jahre wider (etwa mit Gemälden von Ernst Wilhelm Nay). Zu den Juwelen gehört die leuchtende Eiffelturm -Ansicht Robert Delaunays aus der „orphischen“ Phase um 1926 (1,5-2,5 Mio. Pfund), noch interessanter könnte „Le feu“(800 000-1,2 Mio. Pfund) von Wols werden. Dieser Wegbereiter der Ecole de Paris ist schon deshalb eine Legende, weil nur 80 Werke erhalten sind. Vor einem Jahr kam in London ein Wols mit einer Schätzung bis 150 000 Pfund zur Versteigerung – und brachte 2,6 Millionen Pfund.

Die anonyme Sammlung „Living with Art“ hat eine Gesamtschätzung von rund 20 Millionen Pfund. Hier ist Joan Mirós 1946 locker komponiertes Gemälde „Personnages et oiseaux devant le soleil“ (5- 7 Mio. Pfund) das Spitzenlos. Bei Christie’s kommt das halluzinatorisch-evokative „Le corps de ma brune“ von 1925 marktfrisch aus einer alten New Yorker Sammlung zum Aufruf (6-9 Mio. Pfund), Sotheby’s folgt mit dem Großformat „Peinture" von 1933 (7-10 Mio. Pfund). Drei so wichtige Miró-Werke in einer Woche sind ein Marktfaktor, auf den einige Spekulanten seit langem hoffen – seine Preise könnten einen Sprung machen.

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