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Kultur: Ausgelassen

Die Pat Metheny Group in Neuhardenberg

Von Gregor Dotzauer

Vergessen wir gleich den kleinen Marathon, mit dem die Pat Metheny Group gerade durch Europa tourt. Letzte Woche Ljubljana, Budapest und Warschau, nächste Woche schon wieder London, Rom und Nizza. Was es heißt, einen Tag vor dem Jazzfestival in Montreux noch einmal schnell im Park von Schloss Neuhardenberg ein Dutzend Repertoire-Hits dem gewitterfeucht dampfenden Abendhimmel und einem dankbaren Publikum zu schenken, bewegt sich längst jenseits des Schlag-auf-Schlag eines mörderischen Reisepensums. Denn wie oft muss sich Metheny zum Auftakt schon in den „Phase Dance“ gestürzt haben, seit er und sein Keyboarder Lyle Mays ihn 1976 komponierten? Mitsamt dem Gitarrenwechsel von der akustischen zur rückwärts herunterhängenden elektrischen sicher mehrere tausend Male – fast ebenso oft wie in das 1987 aufgenommene „Minuano“, das mit seinem brasilianischen Flair nach knapp zwei Stunden den Reigen beendet.

Das Erstaunliche ist nicht der Wiederholungsfaktor, sondern seine Überwindung – auch auf dem Popjazzgebiet, das Metheny neben dem energetisch deutlich höher aussteuernden Trio bearbeitet. Es gibt nicht viele Musiker, die so überzeugend gegen die reine Reproduktion anspielen, weil man ihnen zutraut, allein durch ihr Improvisationsgenie den Horizont des allzu Bekannten aufzureißen. Was ihm mit dem halsbrecherischen Solo in „Proof“ locker gelingt. Auch Methenys Neugier ist ungebrochen. Ein Meisterwerk wie die Suite „The Way Up“ (2005) oder seine Leidenschaft für mechanische Musikinstrumente, die er auf seinem jüngsten Album „Orchestrion“ und der parallelen Tournee erkundet, sind der Beweis.

Das Dilemma des aktuellen Quartetts mit Steve Rodby am Bass und der federnden Wucht von Antonio Sanchez am Schlagzeug ist nur, dass es die Wendigkeit der kleinen Besetzung nicht nutzt, um die klassischen Arrangements hinter sich zu lassen – und dass ihm für das Hymnische des Albumsounds die sonst prägenden Sänger fehlen. Metheny arbeitet sich einmal quer durch sein Gitarrenarsenal und wirft mit easy listening-Süßigkeiten um sich, mit künstlich groovenden Scheußlichkeiten wie „Here To Stay“, „Are You Going With Me?“ oder „This Is Not America“, das in der Aufnahme mit David Bowie um die Welt ging.

Wenigstens die Stechmücken tanzen ausgelassen, aus dem Wald ruft das Käuzchen, und auch wenn dies keine Sternstunde unterm märkischen Himmelszelt ist, reicht es doch für die tröstliche Gewissheit: Was für den göttergleichen Metheny Routine ist, bleibt für irdischere Geister unerreichbar. Gregor Dotzauer

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