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Vorbesichtigung bei der Architektur-Biennale in Venedig.

© dpa

Ausstellung: Die Architektur-Biennale Venedig beginnt

Zum 12. Mal findet die Architektur-Biennale von Venedig statt, und wie üblich, nimmt sie einen langen Anlauf bis zur Eröffnung am kommenden Sonnabend-Nachmittag. Ein Vorbericht.

Drei Tage Vorbesichtigung sind angesetzt, um die insgesamt 53 Länderbeteiligungen sowie die auf zwei Lokalitäten verteilte Hauptausstellung mit ihrerseits 46 eingeladenen Teilnehmern zu besichtigen – ein hoffnungsloses Unterfangen, zumal in der derzeitigen Schwüle, die die Lagunenstadt gefangen hält und verhindert, dass die durchgeschwitzten Hemden im Laufe der Nacht trocknen. Slow motion ist also angesagt, geruhsame Bewegung, und kein rekordverdächtiges Nationen-Hopping. Das fällt schwer genug, finden doch im Stundentakt Pressekonferenzen und Eröffnungen in den Pavillons statt, jedes Land will schließlich sich selber feiern.

Am heutigen Freitag sind die Deutschen dabei, und mit Österreich und der Schweiz der ganze deutschsprachige Raum, aus dem, dem Höreindruck nach, wie üblich auch der größte Prozentsatz der Biennale-Besucher kommen dürfte. Der gestrige Donnerstag allerdings stand eher im Zeichen Russlands. Der russische Pavillon, 1913 vom späteren Stalin-Baumeister Alexej Schtschussew im damals hochmodernen altrussischen Stil entworfen, hat eine dringend benötigte Renovierung erfahren und leuchtet nun wieder wie im Jahr seiner Eröffnung, nicht zufällig dem Jubiläumsjahr der bald darauf von der politischen Bühne vertriebenen Romanows. Renovierung ist auch das Thema der Ausstellung, die gestern vom nach wie vor als Strippenzieher agierenden Ex-Kulturminister Michail Schwidkoj eröffnet wurde. Der in Berlin lebende Architekt Sergej Tchoban (Dom-Aquaree, Cubix, Synagoge Münstersche Straße) als „Kommissar“ – wie die Pavillon-Verantwortlichen in Venedig traditionell heißen – stellt die Revitalisierung der Industriestadt Wischni Wolotschok als Modell der überall in Russland notwendigen Abkehr von der Fabrikproduktion zu postindustrieller Urbanität vor. Fünf Kombinate sollen von den führenden Architekturbüros des Landes umgebaut, ergänzt und zu einem urbanen Ganzen zusammengeführt werden, ohne die oftmals verborgenen Qualitäten dieser Provinzstadt an malerischem Fluss zu negieren.

Gross war das Gedränge vor den im Freien aufgebauten Klapptischen mit Gebäck und Getränken, und wer wollte, konnte gleich weiterziehen zu den Briten, die in ihrem majestätisch am Kopf der Hauptachse in den Giardini thronenden Pavillon eine „Villa Frankenstein“ eingerichtet haben – bei weitem nicht so finster, wie der Name befürchten lässt. Vielmehr geht es im wesentlichen um John Ruskin, den Theoretiker und Mitbegründer der Denkmalpflege, der um 1850 im Angesicht der verdämmernden Lagunenstadt in dem Buch „The Stones of Venice“ seine Prinzipien einer konservierenden, aber keinesfalls ergänzenden oder gar vervollständigenden Denkmalpflege entwickelt hat. Alte Daguerrotypien zeigen ein verwunschenes Venedig, das sich längst unter dem Ansturm der Touristenmassen verflüchtigt hat, und Ruskins Skizzenbücher, lässig mit Tinte beschriftet, geben eine Ahnung jener Zeit, da der Einzelne sich noch mit Papier und Feder auf die Suche nach der Vergangenheit machte.

Doch das russische Element blieb gestern dominierend, gab es doch zugleich eine Präsentation der neuen, vom niederländischen Star-Architekten Rem Koolhaas mitentwickelten Moskauer Ausbildungsstätte „Strelka“ zu erleben und, als Hommage, eine Gedenkausstellung für den Anfang des Jahres in München verstorbenen Direktor des Staatlichen Architekturmuseums in Moskau, David Sarkisian. Sein legendäres, mit allerlei Architektur-Kitsch, Souvenirs und Memorabilia vollgestopftes Büro ist noch einmal als digitale Installation zu erleben, sein Einsatz für die Bewahrung der investoren-bedrohten Baudenkmale in Interviews mit berufenen Kennern zu vernehmen. Andächtige Stille herrschte am späten Nachmittag im Palazzo Zenobio, wo heute Abend die deutsche Eröffnungsparty steigen wird. Russischerseits hatte man das Foyer des Opernhauses La Fenice gebucht, während auf der Bühne bereits Stellproben für die Saisoneröffnung mit „La Traviata“ stattfanden. Leben, Lust und Tod, das klassische venezianische Trio. Dieweil wurde auf der anderen Seite des Canal Grande weitergefeiert, in einem der zahllosen Palazzi mit originaler Ausstattung unter echten Kerzen in den Murano-Leuchtern. Von Lust war viel, von Tod keine Spur. Ach, übrigens: Das (nicht allzu originelle) Leitthema dieser Biennale lautet „People meet in Architecture“. Jedenfalls für Venedig trifft das zu, drei Vorbesichtigungstage und etliche Partynächte lang.
(Fortsetzung folgt)

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