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Documenta

© dpa

Ausstellung: Die Documenta 12 schließt ihre Tore

In der ersten Woche stürzte ein Kunstwerk medienwirksam ein, ein anderes wurde von Straßenreinigern buchstäblich weggeputzt. Die Documenta begann furios - und endet nach 100 Tagen mit reichlich Kritik.

Von Barbara Munker, dpa

Hohe Ansprüche hatte sich diese Documenta gesetzt. Das betrifft weniger die Besucherzahl, die den Rekord von 2002 knapp überbieten wollte ("650.000 plus eins"), aber wohl eher in der Nähe der 700.000 landet. Ausstellungsmacher Roger Buergel hatte sich für seine Documenta, die am 23. September endet, das große Ziel der Bildung gesetzt. Erreicht werden sollte es mit einem umfangreichen Begleitprogramm und Künstlern, die fast alle bis zur "d12" weitgehend unbekannt waren.

Buergel setzte auf die "Peripherie" der Kunstszene. Von den 113 Teilnehmern, so wenige waren es noch nie auf einer Documenta, kam mehr als die Hälfte aus Südamerika, Afrika, Asien und Osteuropa. Vorher nur Insidern bekannte Künstler wie Romuald Hazoumé aus Benin oder der Chinese Ai Weiwei wurden innerhalb von Tagen zu Stars. Und die bisherigen Stars gerieten praktisch aus dem Blick: Gerhard Richter zum Beispiel war mit gerade einem Bild in einer Nische vertreten.

"Völlig beziehungslos zueinander gehängt"

Ein Konzept, das Buergel anfangs Lob und Respekt, zuletzt aber immer mehr Kritik einbrachte. Zu farblos, zu unkonkret sei die Documenta 12, der Trend zu afrikanischen oder asiatischen Künstlern zudem nicht neu. Von der "langweiligsten, konservativsten, belanglosesten und humorlosesten Ausstellung", die er je gesehen habe, sprach der Kunstsammler Rolf Ricke, dem "zum Heulen" war. Volker Rattemeyer, Direktor des Museums Wiesbaden, sah die Werke "völlig beziehungslos zueinander gehängt". Und auch Jan Hoet, Macher der Documenta 9 von 1992, entdeckte "nur wenig starke Akzente" bei der Schau seines Nachfolgers: "Da ist nicht viel, was wirklich übrigbleiben wird von der Documenta 12."

Anfangs kümmerten sich Buergel und sein Team kaum um Kritik und Kritiker: Pannen habe es nicht gegeben, die angeblichen Fehler seien genau so gewollt. Wer dieses Konzept kritisierte, habe es nur nicht verstanden. Doch zum Ende wurde der sonst so sanfte 44-Jährige ungewohnt aggressiv. "Wie ein Rülpswettbewerb" äußere sich die Kritik. "Das sind ältere Männer, die nicht loslassen können. Sie glauben, es sei ihre Documenta." Die Kunstkritiker hätten sich "entschlossen, die Ausstellung zu hassen". Er habe provozieren und zum Denken anregen wollen und genau das geschafft.

Aber Buergel hatte auch bilden wollen: "Es kann sein, dass man zeitgenössische Kunst nicht versteht. Das wollen wir ändern." "Vermittlung" hieß das magische Wort, "Vermittler" hießen auch die Ausstellungsführer. Wer jedoch keine Führung mitmachte, sah sich oft verloren vor den etwa 530 Werken, von denen man zunächst nur den Namen (in jedem viertel Fall "untitled") und den Künstler erfuhr. Selbst der Katalog half zuweilen nicht weiter. Von den angekündigten umfassenden Erklärungen war wenig zu sehen. Auch das Absicht, sagt Buergel, um zum selbstständigen Erkennen und Urteilen zu animieren: "Wenn man zu viel erklärt und dauernd mit Krücken, mit Stützrädern operiert, kommt es zu diesem Entschluss nicht."

1001 Chinesen

Objektiv ist die Frage, ob die Documenta 12 ihren eigenen Ansprüchen gerecht geworden ist, nicht zu beantworten. Klar ist nur, dass die Kunstszene sich enttäuscht gezeigt, aber auch diese Documenta einen Besucherrekord gemeldet hat. Und in Erinnerung bleiben wird doch einiges von der "d12". Seien es die 1001 Chinesen von Ai Weiwei oder dessen eingestürzter Türentempel. Seien es die von den Stadtreinigern entfernten Holzkreuze der Chilenin Lotty Rosenfeld oder das spät aufgegangene Mohnfeld der Kroatin Sanja Ivekovic. Oder die zahlreichen Politikerbesuche, die sich gern mit der Kunst schmückten, am liebsten dem löchrigen Flüchtlingsboot des Westafrikaners Hazoumé.

Nicht bleiben wird der "Auepavillon". Der im Frühjahr errichtete drei Millionen Euro teure Bau aus Treibhausteilen wird komplett abgerissen. Und ebenfalls nicht bleiben wird Buergel. Der Vertrag des Ausstellungsmachers endet traditionell ein halbes Jahr nach der Documenta. Was er dann macht, wisse er noch nicht: "Ich glaube, ich muss erst einmal in Ruhe darüber nachdenken, was ich da eigentlich angerichtet habe."

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