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Die Galeristen Alexander Koch und Nikolaus Oberhuber sticheln in ihrer Ausstellung "Believers" gegen zementierte Glaubensgrundsätze.

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Ausstellung: Die Galerie KOW nimmt in „Believers“ Dogmen aufs Korn

Die Galeristen Alexander Koch und Nikolaus Oberhuber sticheln in ihrer Ausstellung "Believers" gegen zementierte Glaubensgrundsätze. Doch die Vielzahl der Ansätze ist zu verwirrend. Oder fehlt nur der Glaube?

Man muss auch mal Nein sagen können. Wie Santiago Sierra mit seiner Schriftskulptur „NO“, die er auf einem Truck um die halbe Welt geschickt hat. Warum schwebt der Schriftzug ausgerechnet über dem Papst, als der zum Weltjugendtag in Madrid eine Messe hält? Sierra hat sich da einer teuflischen Erfindung seines Künstlerkollegen Julius von Bismarck bedient. Ein Blitzgerät, millisekundengenau von anderen Foto-Blitzen entfesselt, projizierte die Wortschablone auf die Wand hinter dem Heiligen Vater – und tauchte auf den Erinnerungsfotos zahlloser Gläubiger auf. Frohe Botschaft geht anders.

In der Galerie KOW ist das 2,5-Meter-Hochformat „No (Pope)“ ein Schlüsselfoto der Gruppenschau „Believers“, mit der die Galeristen Alexander Koch und Nikolaus Oberhuber gegen zementierte Glaubensgrundsätze sticheln wollen. Auf der letztjährigen Kunstmesse Art Cologne wurde KOW für die Präsentation obrigkeitskritischer Arbeiten von Alice Creischer, Barbara Hammer, Santiago Sierra und Franz Erhard Walther mit dem Maurice Lacroix Art Award ausgezeichnet. Dieselben Werke sind jetzt auch in Berlin zu sehen, das Spektrum der aktuellen Ausstellung wurde aber um rund 20 Positionen vergrößert (Preise auf Anfrage, einige Werke sind unverkäufliche Leihgaben).

In einem begleitenden Essay geht Alexander Koch streng mit Dogmatikern auf religiösem, aber auch wissenschaftlichem und politischem Feld ins Gericht. Wo Glaubensmuster „nicht allein private, sondern gesellschaftliche Zwangsvorstellungen etablieren helfen,“ schreibt Koch, „muss man diese auch denunzieren dürfen.“ Sein Plädoyer für Blasphemie als Menschenrecht klingt allerdings um einiges provokanter, als die meisten Werke es dann sind.

Immerhin: In ihrem Super-8-Film „Barbara Ward Will Never Die“ (1968) schändet die feministische Künstlerin Barbara Hammer, geborene Ward, Gräber eines stillgelegten Friedhofs und stellt damit die Würde der Lebenden entschieden über die der Toten. Michael E. Smith hat einen kleinen Plastik-Buddha so zersägt, dass die Wandskulptur „Untitled (catfish)“ titelgemäß an einen Welskopf erinnert. Algen fressende Welse werden in Aquarien gern als Scheibenputzer eingesetzt. Rituelle Reinigung war gestern, heute ist Recycling angesagt.

Alice Creischer deutet mit einer Fotoskulptur auf die Verflechtung von Kirche und Kolonialismus, indem sie die Geschichte eines Plantagenbesitzers zitiert, der seinen Sklaven im Osterritual Jahr für Jahr die Füße wusch. Eine Art freundliche Übernahme, ohne Rücksicht auf die Überzeugungen des anderen. Weder die Kuratoren noch einzelne Künstler der „Believers“-Schau greifen übrigens den individuellen Glauben an. Den hängt man ja auch nicht an die große Glocke. Christoph Schlingensief, dessen „Little Shrine“ für Prinzessin Diana Teil der Ausstellung ist, hat es so formuliert: „Im Untermenschlichen fühle ich mich wohl, im Menschlichen halte ich mich auf, und beim Übermenschlichen halte ich mich zurück.“

Religionsvertreter gehen gerade beim Übersinnlichen, Unbeweisbaren in die Vollen. Das kennt man, wundert sich aber, dass kaum eines der Kunstwerke auf dieses religiöse Sendungsbewusstsein zielt. Die kuratorische Antwort: Dogma ist überall. Zu den interessantesten Werken zählt das Video „Treat (or Trick)“ von Zanny Begg, das den globalen Finanzmarkt als Zaubershow darstellt. Als Magier tritt ein Mr. Invisible Hands auf, der das wirtschaftsliberale Dogma von der „Unsichtbaren Hand“ verkörpert, die angeblich zum Wohl aller die Märkte reguliert. „Niemand glaubt mehr an den Zauber,“ heißt es im Film, „aber uns lockt die Faszination des Tricks“.

Woran noch glauben? Was entfesselt unser spirituelles Vermögen? Der Konsum? Das Geld? Nein, für Geld verkauft man seine Überzeugungen, wie etwa die acht römischen Anarchisten, die sich von Sierra dafür bezahlen ließen, für das Video „The Anarchists“ die Weihnachtsansprache des Papstes anzuhören. Vielleicht passt das noch zum Thema Glaubensgrundsätze, vielleicht fängt hier die Beliebigkeit an. Man muss viel guten Willen aufbringen, um in Andreas Slominskis „Dachsfalle“ einen passenden Beitrag zu erkennen, und auch eine von Tobias Zielony

fotografierte Jugendgang streift das Thema peripher. Die Krux der Ausstellung liegt in der verwirrenden Vielfalt der Ansätze. Oder fehlt einfach nur der Glaube?

Galerie KOW, Brunnenstr. 9, bis 3. 2., Mi–So 12–18 Uhr

Jens Hinrichsen

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