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Menetekel. Ein Foto Ai Weiweis klebt an einer Mauer in Berlin.

© dpa

Ausstellung in China: Kaviar und Kerker

Der Streit um die "Kunst der Aufklärung" geht weiter – und China plant 2012 ein "Kulturjahr in Deutschland".

Die Kunst der Aufklärung, mit und ohne Anführungszeichen, sitzt in der Falle. Die Falle, die sich die deutschen Ausstellungsmacher in ihrer Mischung aus Größenwahn und Kniefälligkeit selbst gebaut haben, sie wird sich im steinernen Herzen Chinas, am Tiananmen-Platz in Peking, so schnell nicht öffnen. Ursprünglich hatten sich die Museumsdirektoren aus Berlin, Dresden und München vorgestellt, mit ihrer kunsthistorisch unscharfen, aber den Epochen der europäischen Aufklärung gewidmeten Schau im Chinesischen Nationalmuseum eine Art „trojanisches Pferd“ einzuschmuggeln.

Die Chinesen, die mit Ai Weiwei ihren berühmtesten Künstler wegsperren, die Menschenrechtsanwälte verhaften und missliebigen Gästen die Einreise verweigern, sind indes keine naiven Trojaner. Und den Deutschen mangelt es am Listenreichtum eines Odysseus. Dennoch geht es irgendwie weiter: Die bereits von tausenden Besuchern frequentierte Ausstellung wird natürlich nicht vorzeitig geschlossen. In China selbst wird das auch von Regimekritikern nicht gewollt, zumal die Deutschen, wenn sie ihre Bilder abhingen, in der chinesischen Öffentlichkeit nur als ungehobelte Gäste dastünden – deren Kunst sich durch die antichambrierenden Museen aus anderen westlichen Ländern leicht ersetzen ließe.

Erster Stein des Anstoßes war ja das Einreiseverbot für den Münchner Schriftsteller und Sinologen Tilman Spengler, der sich zuvor für den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo eingesetzt hatte. Spengler sagt jetzt: „Ich bleibe dabei, wir sollten das Projekt fortsetzen, so lange es noch die Chance auf das Gespräch mit den vielen Chinesen gibt, die uns auf allen Wegen dringend bitten, sie jetzt nicht völlig allein zu lassen. Ein Abbruch und Affront würde mehr schaden als nützen.“ Außerdem, so Spengler: „Es gibt auf der Welt mehr Diktaturen als Demokratien.“ Die Frage sei: Wollen wir darum aus der UN austreten, keinen Handel, keine Diplomatie, keine kulturellen Kontakte mehr pflegen?

Auch der Erlanger Sinologe Michael Lackner, mit Spengler Kopf des von der Essener Stiftung Mercator betriebenen Begleitprogramms zur „Kunst der Aufklärung“, plädiert für die Fortsetzung des Projekts. Lackner konnte jetzt wegen einer akuten Erkrankung nicht nach Peking reisen. Doch hat er aus der Ferne das aufgeblasen devote Auftreten der deutschen Museumsdirektoren als „Vasallentum“ kritisiert. Die von Mercator außerhalb des Nationalmuseums organisierten „Salons“ zur Aufklärung seien allerdings Beispiele intellektueller Graswurzelarbeit. Lackner am Montag zum Tagesspiegel: „Da geht es from bottom to the top, statt umgekehrt! Und ich habe von vielen chinesischen Freunden und Kollegen gehört, dass die beiden ersten Salons am vergangenen Wochenende ein Erfolg waren. Alle wünschen sich, dass dieser staatsfreie Austausch weitergeht. Ich jedenfalls komme zu der nächsten Veranstaltung.“

Da soll es am 16./17. Juli in Peking um „Kunst und Gesellschaft“ gehen sowie um „Aufklärung und Bildungstheorien in China und Deutschland“. Vor allem das zweite Thema hat einige praktische Relevanz: weil an deutschen Hochschulen derzeit 25 000 junge Chinesen studieren – und damit den größten Anteil an ausländischen Studenten in Deutschland stellen. Außerdem soll jetzt ein dreijähriger verstärkter Austausch von chinesischen und deutschen Wissenschaftlern starten.

Freilich weist Michael Lackner darauf hin, dass man bei den „Salon“-Gesprächen „natürlich nie sicher sein kann, ob sich da Spitzel im Publikum befinden. Doch ohne dieses Risiko gäbe es gar kein öffentliches Gespräch.“ Hierauf beharrt auch Bernhard Lorentz, Leiter der Stiftung Mercator, die 1, 5 Millionen Euro für das Begleitprogramm investiert. Lorentz: „Unser erster Salon fand am vergangenen Samstag etwa 100 Meter Luftlinie von Ai Weiweis Atelier statt, und dort wurde die Deklaration der Menschenrechte verlesen. Uns geht es darum, unterhalb von Regierungshandeln Räume für Diskurse zur Verfügung zu stellen. Das ist ein schwieriges Feld.“ Aber es kämen zu den „Salons“ die „kritischen Akademiker“, viele Studenten – und diese könnten sich per Telefon, nicht nur über das zensierte Internet, „individuell und frei anmelden“.

Gleiches ist bei den ebenfalls von Mercator gesponsorten „Foren“ unmittelbar zu der „Aufklärungs“-Ausstellung“ im Chinesischen Nationalmuseum nicht möglich. Dort kontrollieren die Behörden den Einlass durch namentliche Voranmeldungen und Ausweispflicht. Beim ersten Forum, nach der Ausstellungseröffnung durch Außenminister Westerwelle und ein Politbüromitglied, hatte bei einem beklemmend verzagten Podium der Museumsdirektoren die einzige Frage aus dem Publikum ein Journalistenkollege gestellt: nach dem Fall Spengler. Wie berichtet, wurde das „Forum“ darauf von chinesischer Seite beendet („Wir sind nicht die Visa-Abteilung!“). Aber gleichzeitig buhten zahlreiche Deutsche im Publikum gegen den Fragesteller, einer drehte sich gar um und blitzte mit seiner Kamera dem Journalisten ungefragt ins Gesicht. Worauf dieser ihm – „Wenn Sie mich schon erkennungsdienstlich behandeln“ – noch seine Visitenkarte reichte. Der wütende Deutsche rückte daraufhin auch seine Karte heraus: ein Unternehmensberater aus Bayern.

Von Konfuzius stammt nicht nur der Ausspruch „Der Weg ist das Ziel“. Er sagt auch: „Der Mensch ist von Geburt gut, aber die Geschäfte machen ihn schlecht.“ Das benennt den Geist, in dessen Falle die Ausstellung am prekären Platz vor allem sitzt. Man darf deshalb gespannt sein, wie Peking sich das für 2012 geplante „Chinesische Kulturjahr in Deutschland“ vorstellt. Im Auswärtigen Amt heißt es, dass es bislang „noch keine offiziellen Hilfeersuchen“ gab. Offenbar wollen die Chinesen, die schon als Gastland der Frankfurter Buchmesse 2009 ihre Autoren zensiert und gesiebt haben, möglichst unpolitische Musik, Filme und bildende Kunst präsentieren. Immerhin hat der Pekinger Maler Zhang Xiaodang bei Sothebys gerade zehn Millionen Dollar für ein Werk erbracht. Der Markt, den immer mehr chinesische Künstler und Sammler bestimmen, schert sich wenig um Menschenrechte und Moral. Und Chinas Politik hat viele Gesichter, sie kennt Kaviar und Kerker, Porsche und Peitsche.

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