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Mit der Fähre angereist. Georg Baselitz’ große Holzskulptur „Volk Ding Zero – Volk Think Zero“ (2009) in der Insel-Ausstellung „Königsklasse II“.

© dpa

Ausstellung "Königsklasse": Die Möglichkeit eines Schlosses

In Ludwigs Traumresidenz: Die Münchner Pinakothek zeigt auf Herrenchiemsee Gegenwartskunst der „Königsklasse“.

Männer in Frauenkleidern: Die Porträts der „Ladies and Gentlemen“ von Andy Warhol leuchten in grellen Farben. Der Raum, der sie beherbergt, ist ein Rohbau. Und das schon seit 128 Jahren, handelt es sich doch um den unvollendeten Flügel von Schloss Herrenchiemsee, eines jener architektonischen Traumgespinste des schrillen Bayern-Königs Ludwig II.

Die Münchner Pinakothek der Moderne und das Museum Brandhorst haben für den Sommer moderne Kunst hergebracht auf die Insel Herrenchiemsee – mit dem Lastwagen auf der Fähre, die ansonsten die Urlauber über den See schippert. „Königsklasse II“ heißt die Ausstellung mit Werken von zehn modernen und Gegenwartskünstlern, von Warhol über Dan Flavin und Arnulf Rainer bis zu Georg Baselitz. Keine Entdeckungen, sondern eine Versammlung von Chef d’Œuvres, von Klassikern der zeitgenössischen Kunst. Die Bilder und Skulpturen stammen teils aus dem Bestand der Museen, einige wurden aber auch eigens für die Schau auf der Insel angefertigt.

„Es genügt ein Fingerschnippen und wir sind in einer anderen Welt“, sagt Kuratorin Corinna Thierolf über den Gegensatz von Stadt und Natur, von Moderne und der geplanten Versailles-Pracht des einsamen Königs, die den Freistaat Bayern beinahe in den Bankrott getrieben hätte. Das Schloss ist ein Torso, es konnte nicht vollendet werden, weil Ludwig II. das Geld ausgegangen und er 1886 nach seiner Entmündigung auf mysteriöse Weise im Starnberger See ertrunken war.

Im Nordflügel finden sich zahlreiche unvollendete Räume, mit rostroten, rohen Ziegelwänden und Holzdecken, oft 20 Meter hoch. Viele Inselbesucher sehen darin bloß alte Gemäuer, die Rohbauten lagen „fast 130 Jahre im Dornröschenschlaf“, so Thierolf. Nun schimmert Dan Flavins lange rot-blaue Leuchtskulptur symmetrisch im Raum, im nächsten Saal sind Cy Twomblys Farbtupfer zu sehen – „Summer Madness“ –, die an Blumen erinnern. John Chamberlain begeistert mit seinen glitzernden, verbogenen Metallskulpturen. Den Werkstoff dafür hatte er auf Schrottplätzen gesammelt, es sind alte, entsorgte Autokarosserien.

Der schwäbische Künstler Wolfgang Laib bringt die Natur ins Schloss

„Wir segeln auf die Insel, um zu sehen, was hier möglich ist“: Corinna Thierolf formuliert es poetisch. Die Pinakothek ist zum zweiten Mal hier, nachdem die „Königsklasse I“ im vergangenen Sommer 160 000 Besucher angelockt hatte – ein großer Erfolg. Schon die Herreninsel an sich ist ja eigentlich eine Unmöglichkeit. Ludwig II. hatte sie von Holzhändlern gekauft, eine praktische Funktion hatte das Eiland nie. Ludwigs Schloss ist Versailles nachempfunden, im kleineren alten Schloss hatte nach dem Zweiten Weltkrieg der Verfassungskonvent getagt.

Allein die Anfahrt mit dem Schiff. Das türkisgrüne Wasser des Sees, das viele Schilf am Ufer – eine verwunschene Reise, wären da nicht die vielen Touristen. Rund 400 000 besuchen die Insel pro Jahr. Dicht an dicht laufen sie über die autofreien Wege oder lassen sich mit der Kutsche fahren. Dennoch ist der größte Teil von Herrenchiemsee Naturschutzgebiet, bekannt auch für zahlreiche Fledermausarten. Auf Infotafeln werden „Ludwigs wilde Wälder“ gepriesen und die „Arche Herrenchiemsee“. Es gibt kaum ein bayerisches Kindergartenkind, das noch keinen Ausflug auf die Insel gemacht hätte. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen wollen hier neue Besucherkreise erschließen. Generaldirektor Klaus Schrenk spekuliert zudem auf das gut betuchte internationale Publikum der nahen Salzburger Festspiele.

Ludwig selbst wäre der Rummel ein Gräuel gewesen. Das Schloss hatte er so ausgerichtet, dass von dort aus nichts von den prachtvollen Chiemgauer Bergen zu sehen ist. Ihm lag das Bayerntum nicht, die Landschaft wollte er nicht vor Augen haben.

"Ich habe das gemalt. Und danach ist es verschwunden"

Arnulf Rainer ist mit seiner Frau eigens für die erste Führung durch die Ausstellung angereist. Seine berühmten Kreuze sind hier zu sehen, asymmetrische, schwarze, farbige Kreuze auf Holz. Zu seinen Werken äußert sich der 84-jährige Österreicher eher rätselhaft. „Ich habe das gemalt“, sagt er, „und danach ist es verschwunden.“ Es irritiert ihn, dass an der Ziegelmauer hinter einem seiner Bilder mit weißer Farbe die Lüftungsrohre des Schlossbaus markiert sind. Die Auskunft, dass dort ein Kamin vorgesehen war und die Markierungen deshalb unter Denkmalschutz stehen, stellt ihn nicht ganz zufrieden.

Der schwäbische Künstler Wolfgang Laib wiederum bringt die Natur ins Schloss; sein Teppich aus hellgelbem Kiefer-Blütenstaub ist in der „Alten Küche“ des Schlosstrakts ausgebreitet. Gekocht wurde dort nie. Die weiße Holztür in der Wand, ein Überbleibsel von Ludwigs Planungen, gehört nicht zum Kunstwerk, meint Laib. Die Pollen stammen noch aus den 80er Jahren, er bewahrt sie in verschlossenen Gläsern auf, nachdem er den Staub in freier Natur gesammelt hat – „mit dem Finger, dann kommt er ins Glas“. Während er das hauchfeine Material mit dem Sieb auf dem Boden anrichtet, darf keine Klimaanlage laufen, erklärt er. Ist der Boden einmal bedeckt, bleibt der Staub durchaus liegen.Ende September, wenn die Ausstellung schließt, fegt Wolfgang Laib die Blüten wieder auf.

Königsklasse II, Schloss Herrenchiemsee, bis 28. September, täglich von 9 bis 18 Uhr. Schiffsverbindung auf die Insel von Prien/Stock aus alle 30 Minuten

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