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Avi Avital wurde 1978 in Israel geboren. Er lebt in Berlin.

© Christoph Köstlin

Avi Avital und das Jahr der Mandoline: „Als Musiker höre ich nie auf zu lernen“

Die Mandoline ist das „Instrument des Jahres 2023“ - und Avi Avital ihr berühmtester Interpret. Ein Gespräch über seine künstlerischen Visionen.

Von Kilian Scholla

Avi Avital, geboren 1978 in Israel, ist gefeierter Mandolinen-Virtuose. Er hat in Mailand und Jerusalem studiert und lebt mittlerweile in Berlin. Seit 2010 ist er international gefragt, auf seinen Alben, die bei der Deutschen Grammophon erscheinen, beschäftigt er sich mit allen Musikepochen vom Barock bis zur Moderne. 2023 ist Avi Avital Botschafter seines Instruments, wenn die Mandoline als „Instrument des Jahres“ gefeiert wird.
 
Herr Avital, Sie sind der Prototyp des modernen klassischen Musikers: ein Virtuose, erfolgreich, immer auf Reisen, überdies omnipräsent in den Medien und sozialen Netzwerken. Finden Sie überhaupt noch Zeit zum Üben?
Musiker zu sein ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Musik ist bei mir immer da, wenn ich aufwache oder mich schlafen lege. Als Musiker höre ich nie auf zu lernen, möchte mehr verstehen und wissen. Deswegen nehme ich auch immer noch Musikunterricht. Ohne konstant neue Musikerfahrungen zu sammeln kann ich auch keine Energien auf der Bühne freisetzen.

Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen, und wie schaffen Sie sich den nötigen Freiraum für künstlerische Ideen?
Seitdem ich in meiner Jugend in einem Musiktheaterensemble spielte, bin ich ein begeisterter Theatergänger. Ich gehe auch gern in Konzerte, allerdings dann immer mit professionellem Blick. Darüber hinaus bin ich ausgesprochener Museums- und Tanzperformance-Junkie. Wenn ich in eine neue Stadt komme, schaue ich mir zuerst die Kunstgalerien an.

Wie stehen Sie zu Social Media und welchen Stellenwert haben Kanäle wie Instagram für Ihr ganzheitliches Verständnis von Künstlertum?
Auch Instagram verwalte ich selbst. Ich habe immer wieder versucht, das an jemanden abzugeben, aber das hat nicht funktioniert. Es ist mir wichtig, dass so ein Instagram-Beitrag auch künstlerischen Mehrwert hat. Wäre ich ein Fotograf, wäre meine Kunst leicht auf Instagram sichtbar zu machen. Mit der Musik geht das nur bedingt. Klar, das Potential, viele Menschen zu erreichen und meine Konzerte anzukündigen, ist sehr wichtig geworden. Ich gebe auch gern einen Einblick in meine Arbeit, Werbung produzieren will ich allerdings nicht. Oft schreiben mir Menschen begeistert nach einem Konzert. Das macht mich sehr glücklich.  

Die Mandoline ist ein Instrument mit einer über 400-jährigen Geschichte. Welche Relevanz hat sie für unsere globalisierte Welt im 21. Jahrhundert?
Klassische Musik muss man im Kontext ihrer Tradition verstehen. Da sind nicht nur ein Kanon von Werken, sondern da sind auch viele gesellschaftliche Verflechtungen, zum Beispiel das „Zeremoniell“ des Konzertes. Der Künstler kommt auf die Bühne, es wird geklatscht, dann kommt die Verbeugung und so weiter. Nun ist die Musikgeschichte geprägt von Evolution, beständigen Erneuerungen, die in gewissen Grenzen stattfinden und das System „frisch“ halten. Deshalb spiele ich Arrangements von klassischen Werken auf der Mandoline.  

Sie haben vor dem klassischen Konzertbetrieb eine Frischzellenkur zu verpassen. Was stört Sie denn und was wollen Sie anders machen?
Ich glaube es ist wichtig, dass Innovation natürlich verläuft, aber auch den Zeitgeist im Blick behält. Denken wir nur an den Anfang des 20. Jahrhunderts, als Komponisten wie Béla Bartók sich zunehmend für Volksmusik interessierten und diese Einflüsse in ihre Musik integrierten. Wenn wir uns einen Klavierabend dieser Zeit vorstellen, in dem Standardwerke erklingen und dann dieses eine Bartók-Stück, in dem man Musik hört, die es sonst nur in Ungarn gab, dann ist das wirklich eine neue Erfahrung. Heutzutage ist die Situation natürlich anders. Innerhalb von Sekunden können wir uns Musik von überall auf der Welt anhören.

Und Bartók ist mittlerweile in den Klassikkanon integriert. Ist es denn überhaupt möglich noch etwas „Neues“ im klassischen Konzertsaal zu inszenieren, ohne artifiziell zu werden?
Hier gibt es kein Patentrezept. Mit dem „Between Worlds Ensemble“ versuchen wir verschiedenste Arten Weltmusik mit klassischen Werken durch Stille miteinander zu verbinden. Die Stille verschärft den Kontrast und schafft ein Drama, das unser Hören sensibilisiert. Ein Stück von Bach, das auf Flamenco-Musik folgt, hören wir ganz anders. Die Mandoline ist hierfür das perfekte Instrument, ein „Chamäleon“, das in allen Stilen zuhause ist. Mir geht es um die Suche nach neuen Erfahrungen im klassischen Konzert.

Avi Avital spielt eine Mandoline des israelischen Instrumentenbauers Arik Kerman.

© Christoph Köstlin

2023 ist die Mandoline das „Instrument des Jahres“. Organisiert wird es von den Musikräten der Bundesländer. Sie sind offizieller Botschafter in Berlin und in Schleswig-Holstein. Was erhoffen Sie sich und wie blicken Sie auf das Jahr?
Ich sehe eine einmalige Chance, die Mandoline populärer zu machen. Ich selbst habe meine ersten musikalischen Erfahrungen in einem Mandolinen-Orchester gesammelt. In Berlin haben wir schon zwei davon, aber das kann noch mehr werden. Die Mandoline ist ein sehr zugängliches Instrument, gerade für Kinder stellen sich sehr schnell Lernerfolge ein. Außerdem lässt sich wunderbar zusammen musizieren.

Welche Termine sollte man sich schon mal rot im Kalender anstreichen?
Ich freue mich auf zwei weitere Konzerte mit dem „Between Worlds Ensemble“ am 12. Februar und 19. April im Pierre Boulez Saal. Außerdem wird es unter dem Motto „Mandoline & global friends“ ein zweitägiges Festival im September geben, das verwandte Zupfinstrumente präsentiert. Ich bin sicher, dass das ein großartiger Beitrag zum multikulturellen „Mosaik“ der Stadt werden wird.

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