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Kultur: Back to Wawa

Wiedersehen: „Urmel aus dem Eis“ als Zeichentrick

Ein Meer aus Zellophan. Wer seine Kindheit in den 70ern im Sendebereich der ARD verbracht hat, kennt das Bild: Ein See-Elephant sitzt auf einem Felsvorsprung und singt entsetzlich traurige Lieder. Das Meer war in „Urmel aus dem Eis“ von der Augsburger Puppenkiste nichts als eine raschelnde Plastikplane. Aber gerade das machte seine Faszination aus. Es verlieh der Illusion etwas Selbstgebasteltes. Ein Stück Zellophan zu sehen und an das Meer zu glauben – darin lag eine Aufforderung an die kindliche Fantasie.

Solche Wahrnehmungsleistungen werden dem mediengestählten Publikum heute nicht mehr abverlangt. In der digitalen Reinkarnation von „Urmel aus dem Eis“ plätschern die Pixelwellen gelangweilt naturalistisch an den Strand. Das Hannoveraner Animationsstudio „Ambient Entertainment“ bringt im Auftrag der Bavaria den Kinderbuchklassiker von Max Kruse neu ins Kino. Vor zwei Jahren ging man mit dem ersten in Deutschland produzierten CGI-Film „Back to Gaya“ an den Kinokassen baden. Mit Urmel setzt man nun auf Nummer sicher.

Die Geschichte des Eiszeittieres, das lange, bevor Steven Spielberg seine Saurier in „Jurassic Park“ erweckte, Ende der 60er aus dem Ei schlüpfte, hat sich als Kinderbuch, Hörspiel, Zeichentrickserie, Musical und Puppenspiel millionenfach verkauft. Die Eltern von heute sind mit den liebenswerten Sprachfehlern von Ping Pinguin, dem Waran Wawa, der Sau Wutz, dem Schuhschnabelvogel Schusch und dem melancholischen Seele-Fant aufgewachsen. Nostalgieeffekte sind also garantiert. So sind die Regisseure Reinhard Klooss und Holger Tappe auch sichtlich um Werktreue bemüht. Die Versuche, der grundgemütlichen Geschichte mit einem surfenden Urmel und einem Finale im Vulkan Action-Coolness einzuhauchen, wirken eher unbeholfen. Aber Werktreue ist selbst bei bewährten Stoffen keine Erfolgsgarantie. Auch hier kommt es auf die Originalität der eigenen Lesart an.

Dabei hat Kruses Vorlage genügend Inspiration zu bieten. Die Südseeinsel Titiwu lädt zu farbenschwärmerischen Dekors ein, die eigenwilligen Figuren zu skurrilen Charakterisierungen. Klooss und Tappe jedoch wählen das Malen-nachZahlen-Verfahren. Natürlich stehen die Hannoveraner mit dem Mangel an gestalterischer Fantasie nicht allein. Dass viel Energie in die technische Machbarkeit und zu wenig Liebe in die kreative Ausgestaltung fließt, ist ein chronisches Leiden des computergenerierten „Family Entertainments“.

Wie viel seelenloser wirkt die digitale Urmel-Reanimation gegenüber der Marionetten-Version. Eigentlich sind den Möglichkeiten mit der computergenerierten 3D-Animation kaum Grenzen gesetzt. Trotzdem flüchten sich die Filmemacher in fantasielosen Realismus. Das Hausschwein Wutz sieht aus wie ein Marzipanferkel. Und die äußerst unansehnlichen Humancharaktere Professor Tibatong und Tim Tintenklecks sind in Mimik und Gestik derart reduziert, dass man sich die hölzernen Gesichter der Puppenkiste zurückwünscht.

In 23 Berliner Kinos

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