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Kultur: Bärenmilch zum Tangotakt

KUNST

Im Hamburger Bahnhof, WerkRaum 13 wird zurzeit eine Bärin automatisch gemolken. Und zwar immer dann, wenn eine Tangoversion von „Das macht die Berliner Luft!“ erklingt. Was hier wie Willkür scheint, ist die „biokünstlerische“ Installation des Briten Paul Etienne Lincoln, der mit wissenschaftlicher Präzision Kunst als Versuchsaufbau inszeniert. Seine Skulpturen sind komplexe Maschinen, das glatte Material der Glaskolben, der Metallröhren, Spulen und Stifte gibt seine Bestimmung nicht leicht preis. Was wird hier destilliert? Sinn? Zunächst wird durch die gezuckerte Milch der „Berliner Zuckerbärin“ ein Faden gezogen. In komplexen Prozessen geht nichts verloren, sondern verändert sich so lange alles, bis am Ende eine DNA-Doppelhelix aus Zucker erscheint.

Daneben steht „New York New York“. Hier wachen Lincolns Maschinen stählern und elegant um ein Wasserbecken. Sie sollen, wenn sie laufen, ein Technologieporträt der Metropole erstellen. Die 86 Buick-Autohupen, die wie in einem Orgelrund auf dem Boden liegen, sollen einen Ton erzeugen, wie es sich Wissenschaftler von Dinosauriern vorstellen. Der Künstler, denkt man, hat hier mit großem Aufwand einen metallenen Witz erzählt. Man will sie jetzt laufen sehen, die Apparatur, unbedingt sehen, ob sie funktioniert und was sie kann. Aber darum geht es nicht. Seit 16 Jahren geduldet sich der Künstler nämlich selbst, verdichtet sein Material, sitzt in seinem New Yorker Schlafzimmer und bastelt an einzelnen Maschinenteilen, die er nie findet, sondern selbst herstellt. Ein einziges Mal, so sein Wille, soll diese Maschine laufen. Sechzig Stunden lang in einem Tunnel unter Manhatten nämlich, vom Publikum nur durch ein Periskop beobachtet. „Aber das ist fast unmöglich“, fürchtet er. Wir erleben die Metarmorphose von Sinn in der Zeit.

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