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Kultur: Balkan-Konflikt: "Ich sehe kein stichhaltiges Konzept des Westens"

Der 59-jährige Holm Sundhausen ist Professor am Südosteuropa-Institut der Freien Universität Berlin Belgrad hat die albanische Bevölkerungsgruppe im Kosovo ultimativ zu einem Ende der Gewalt und zum Dialog aufgerufen. Was ist realistischer, Eskalation oder Dialog?

Der 59-jährige Holm Sundhausen ist Professor am Südosteuropa-Institut der Freien Universität Berlin

Belgrad hat die albanische Bevölkerungsgruppe im Kosovo ultimativ zu einem Ende der Gewalt und zum Dialog aufgerufen. Was ist realistischer, Eskalation oder Dialog?

Im Augenblick wird der Dialog eher erschwert oder gänzlich vereitelt. Das scheint auch das eindeutige Ziel der beiden letzten Bombenanschläge zu sein, wer auch immer dahinter stehen mag.

Kostunica hat die Nato aufgefordert, im Presevotal, an der Grenze zum Kosovo, für Ruhe zu sorgen. Wenn nicht, müsse es Belgrad selbst tun. Eine ernst zu nehmende Drohung?

Ich gehe davon aus, dass sowohl der jugoslawische Präsident wie auch die serbische Regierung unter Djindjic durch diese Anschläge unter enormem Druck stehen. Den Regierenden wird Tatenlosigkeit vorgeworfen, und sie müssen, wenn sie nicht den Rückhalt der Bevölkerung verlieren wollen, nach außen hin verbal etwas unternehmen.

Wer hat ein Interesse an Eskalation?

Auf beiden Seiten gibt es Gruppierungen, die eine Verhandlungslösung torpedieren möchten. Im Kosovo sind es die Extremisten, die bei den letzten Wahlen an Einfluss verloren haben. Sie wollen die Serben zur Gewalt provozieren, um damit in der Bevölkerung eine Solidarisierung zu erzwingen. Auf serbischer Seite sind es die Anhänger Milosevics und die Stützen seiner alten Macht - Teile der Armee, der Geheimdienst und die Spezialeinheiten -, die die neue Regierung und deren Dialogbereitschaft diskreditieren.

Ist das Presevotal, in das weder die Kfor noch Serbiens Armee darf, ein entscheidender Konfliktherd oder nur einer von vielen?

Ich würde sagen, nur einer von vielen. Die Gesamtsituation ist so explosiv, dass die daran Interessierten überall an der Gewaltspirale drehen können.

Ist die Kfor überfordert?

Da bin ich mir nicht sicher. Sie steht auch unter enormem Druck. Einerseits wird ihr von der serbischen Öffentlichkeit vorgeworfen, sie erfülle ihren Auftrag nicht. Andererseits kann es sein, dass sie sich scheut, zu energisch gegen die Extremisten vorzugehen, weil sie fürchtet, selbst Ziel von Anschlägen zu werden. In den USA könnten Stimmen laut werden, die den Rückzug fordern, wenn US-Soldaten zu Schaden kommen.

Hätten die Kfor-Truppen nicht längst die albanische Befreiungsarmee von Presevo, sozusagen die neue UCK, entwaffnen müssen?

Ja, das hätten sie tun müssen, das gehört zu ihrem Auftrag. Aber wie gesagt, gerade wegen dieser Zerreißprobe, der die Kfor ausgesetzt ist, tut sie nicht alles, was sie kann.

Ist der Westen in der Lage, langfristig die Konfliktparteien auseinanderzuhalten?

Auf jeden Fall werden die Truppen dort noch sehr lange stationiert sein müssen. Fünf bis zehn Jahre ist kein unrealistischer Zeithorizont. Nur: Unabhängig von den notwendigen Truppen müssen auch politische und wirtschaftliche Perspektiven hinzukommen. Ich sehe bisher aber kein stichhaltiges Konzept des Westens und der internationalen Gemeinschaft. Es gibt UN-Resolutionen, in denen steht, Kosovo soll Teil des jugoslawischen Bundesstaates bleiben mit substanzieller Autonomie. Aber das ist alles noch sehr schwammig. Kosovo müsste den Status eines Republikstaates bekommen mit Sonderrechten für Beziehungen zu Albanien.

Belgrad hat die albanische Bevölkerungsgruppe

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