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Kultur: Balkan-Krise: Nie ohne Splitterschutzweste, nie ohne Helm - Wie sich deutsche Soldaten vor den Schusswechseln schützen

Seit Tagen wird geschossen. Das Rattern der Maschinengewehre und das Dröhnen der Mörser gehören zum ständigen Geräuschpegel im mazedonischen Tetovo.

Seit Tagen wird geschossen. Das Rattern der Maschinengewehre und das Dröhnen der Mörser gehören zum ständigen Geräuschpegel im mazedonischen Tetovo. Bis Freitag waren deutsche Soldaten der Kfor-Schutztruppe nicht das Ziel der albanischen Angriffe, sondern hörten und sahen die Kampfbewegungen nur aus zwei bis vier Kilometern Entfernung. Seit gestern Nachmittag ist das anders. In einer Kaserne bei Tetovo, die die Deutschen mit mazedonischen Einheiten teilen, wurden auch sie zum Ziel.

Verteidigungsminister Rudolf Scharping reagierte schnell und will nun aus dem Kosovo Leopard-Kampfpanzer nach Tetovo verlegen. Nur wenige Stunden zuvor war die Hardthöhe noch von keiner unmittelbaren Gefahr für die eigenen Soldaten ausgegangen. Man hatte aber für ihre Sicherheit vorerst eine Ausgangssperre verhängt. Nun wird man rund hundert bis zweihundert Soldaten versetzen, wie es hieß.

Der überwiegende Teil des deutschen Kfor-Kontingents von insgesamt 4000 Soldaten ist im Kosovo stationiert, in Prizren. Tausend von ihnen aber leisten Dienst in Mazedonien, zu 99 Prozent in Tetovo. Es sind Logistik-Einheiten, die vor allem für Nachschub zuständig sind. Sie sind bewaffnet, aber nicht für den Kampf ausgerüstet.

Zum Zuschauen gezwungen

Höchste Alarmbereitschaft galt für sie schon vor dem gestrigen Beschuss. Die Soldaten verlassen ihre Kasernen nicht mehr ohne Splitterschutzwesten und nie ohne Helm. Die Versorgungsfahrten von Tetovo östlich nach Skopje werden nur noch mit bewaffnetem Begleitschutz durchgeführt. Alle Zufahrtswege sind von der mazedonischen Regierung ohnehin für Zivilfahrzeuge gesperrt worden. Nur noch die Kfor kann sich in Abstimmung mit der örtlichen Polizei und den Streitkräften frei bewegen.

Doch im Unterschied zum Kosovo sei man hier eben Gast in einem eigenständigen Land, sagt ein Kfor-Sprecher in Prizren. Der Auftrag der Soldaten im Kosovo ist eindeutig: Hier sollen sie die Grenze sichern und für öffentliche Ruhe sorgen. In Mazedonien aber ist man zum Zuschauen gezwungen - es sei denn, man wird selbst angegriffen.

Im Lager der deutschen Soldaten im Kosovo herrschte noch vorsichtiger Optimismus. Die Grenzen zum Kosovo seien mittlerweile dicht, albanische Rebellen würden aus dem Kosovo nicht mehr so einfach in das Presevo-Tal im Süden oder nach Mazedonien kommen. Dennoch gelingt es den Rebellen immer wieder, für Nachschub zu sorgen. Ein deutscher Kfor-Sprecher bestätigt, dass die Albaner über ausgezeichnetes Gerät verfügen. Sie haben Maschinenfeuerwaffen, Mörser und Panzerfäuste, die sie gegen Hubschrauber einsetzen, was sie in den letzten Tagen auch getan haben.

Alte Waffendepots

Die Kfor ist für die Entwaffnung der albanischen Untergrundkämpfer zuständig. Kritik an ihrer Arbeit weisen die Verantwortlichen aber mit der Begründung zurück: Eine vollständige Entwaffnung sei in der bisherigen Zeit und mit dem relativ schwachen UN-Mandat nicht möglich gewesen. Auch deshalb nicht, weil der Waffenschmuggel zu den Spezialitäten der albanischen Mafia gehört. Das liegt auch daran, dass das alte Jugoslawien an vielen Orten Waffenarsenale eingerichtet hatte, weil man sich im Falle eines Angriffes auch mit einer Guerilla-Taktik verteidigen wollte. Überall seien solche Waffendepots zu finden, und nach dem Kosovo-Krieg, so der Kfor-Sprecher, haben die albanischen Rebellen davon profitiert.

An eine Eskalation, die auf den Kosovo übergreifen könnte, glaubt man im deutschen Lager in Prizren nicht. Die albanische Bevölkerung im Kosovo stehe nicht hinter den Rebellen. Das Verhältnis zu den Kfor-Leuten, vor allem "zu uns Deutschen, ist ausgesprochen herzlich".

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