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Kultur: Balladen von heiligen Trinkern

ROCK

Weit entfernt scheint die Welt der ratternden Großstadt, wenn die Tindersticks in ihren gebügelten Anzügen die Bühne im Berliner RBB-Sendesaal betreten: sechs freundliche Engländer, immer noch fernab jeder Showbizz-Routine, obwohl sie bereits elf Jahre dabei sind. Ihre zerbrechlich wirkende Musik eignet sich ohnehin besser zum Anhören als zum Hinschauen. Der Sänger Stuart Staples ist einer, der sich mit der Gitarre schräg vors Mikro stellt und dabei das Gefühl von überwältigender Verlorenheit vermittelt. Mit verträumtem Blick misst er die Weite der Deckenverkleidung nach, während die Band damit beschäftigt ist, den schwelgerischen Breitwand-Dimensionen ihrer Studio-Produktionen so nahe wie möglich zu kommen. Wie zarte Fäden aus Zigarettenqualm schwirren die Töne in den Saal, hängen in der Luft, warten auf Durchzug.

Sehr schöne Violine, Orgel, Gitarre, Bass, Schlagzeug und manchmal etwas Vibrafon. Strikt am Balladenschema klebend, schleppen sie sich durch die schattenhaft strukturierten Lieder ihres aktuellen Albums „Waiting For The Moon" (Beggars Banquet), das zu der Sorte Klassiker gehört, die man von Leuten erwartet, die sich ausschließlich von Klassikern inspirieren lassen. Staples brummelt von den schönen Überflüssigkeiten des Lebens, bis man knapp davor ist, diese Weinerlichkeit zu verfluchen. Und immer schimmert der majestätische Geist von Altmeistern wie Leonard Cohen, Scott Walker oder Lee Hazlewood durch, aber auch der Schmelz von Roxy Music und die Unerbittlichkeit von Velvet Underground. Folkig, rockig, schummrig, weich, englisch, dandyhaft: Musik für den zarten weißen Mann. So sind die Tindersticks.

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