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Kultur: Bananenrepublik Deutschland

CALYPSO

Die Lightshow taucht Bühne und Musiker in die Farben eines Fruchtcocktails. Er setzt ein charmantes Lächeln auf, wiegt die Hüften im Rhythmus der Musik, lacht. Gerade 76 Jahre alt geworden, ist Harry Belafonte nach fünf Jahren wieder auf Europatournee – ein Grande der fast ausgestorbenen amerikanischen Entertainer-Generation. Seine Musik ist der Calypso: Die Atmosphäre im Berliner ICC hat noch Glamour, dazu etwas von der Fernsehserie „Traumschiff“. Harry Belafontes rauchige, heisere Stimme und die Offbeats der Band lassen ein wenig karibische Sonne in der futuristischen Plastikwelt des ICC-Saals scheinen.

Zwischen den Songs nutzt Belafonte die Gelegenheit, ernste Töne anzuschlagen. Er erzählt von seinen Konzerten im Berlin der sechziger Jahre. Von den Erfahrungen in einer geteilten Stadt, eines Landes im kalten Krieg nach dem Krieg. Damals habe Deutschland am Anfang einer Entwicklung gestanden, die heute zu mutigen Statements gegen den Krieg führe. „Danke, dass ihr in der ersten Reihe für den Frieden steht“, sagt Belafonte. Dann singt er seine Evergreens aus den Fünfzigern und Sechzigern, „Matilda“, „Island in the Sun“ oder „Jamaica Farewell“, wenn auch ein wenig modernisiert und aufgepeppt. Der Keyboarder darf schon mal in ein elegisches Jazzsolo verfallen, sogar einen Rapsong bringt Belafonte auf die Bühne. Schließlich ein kurzes „Heyyoh“, unbändiger Applaus, „Deutschland ist das Bananenland“, meint Belafonte und stimmt sein „Banana Boat“ an.

Schade nur, dass Bläsersatz und Steeldrum vom Synthesizer des Keyboards kommen. Das verleiht Belafonte ein bisschen den Charme eines Alleinunterhalters beim Gartenfest.

Michael Schultheiss

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