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Kultur: Bang! Bang!

Treffsicher: Nancy Sinatra im RBB-Sendesaal

Hits können auch ein Verhängnis sein. Wer möchte schon jahrzehntelang das immergleiche Stück singen, nur weil das Publikum es so will? Nancy Sinatra hat Glück im Unglück. Ihr Repertoire ist reich an großen Erfolgen und wird auch gerne von Re-Mixern und Cover-Sängern verwurstet. Ihr derzeit größter Hit, „Bang! Bang! (My Baby Shot Me Down)“ aber ist eine Neuentdeckung. Das ursprünglich von Sonny Bono für seine damalige Frau Cher geschriebene Stück wurde von vielen gesungen: Petula Clark beschleunigte es zu einer Tanznummer, die Chansonnette Sheila brachte es ins Französische, von Cliff Richard existiert sogar eine Japanpressung der pazifistischen Ballade. Quentin Tarantino aber wählte für den Soundtrack seines Films „Kill Bill“ ausgerechnet Nancy Sinatras Aufnahme, die 1966 auf ihrer LP „How does that grab you?“ erschienen war. Die Kalkulation ging auf: Die Sängerin erlebte ihr verdientes Comeback.

Im RBB-Sendesaal bringt denn auch der wabernde Akkord einer einsamen E-Gitarre den ersten Jubel, noch bevor Nancy endlich die Bühne erklimmt. Bang, bang. Schon mit ihrem Outfit setzt die 64-Jährige eine Pointe: Sie erscheint in schlichten, silbrigen Pyjamastreifen, darunter tristes Schwarz mit einem gewaltigen Glitzerkreuz um den Hals. Die Ikone, als die man sie aus den beschwingten Cola-Werbespots und PS-starken Filmen kennt, mit weißen Kniestiefeln, superkurzen Röckchen, umgeben von den chromblitzenden Emblemen einer optimistischeren Epoche, dekonstruiert sich selbst. Genau so kommt auch ihr Eröffnungsstück daher: entkleidet von wimmernden Geigen und bombastischen Bläsern erhält „Bang! Bang!“ hier wieder den heiligen Ernst des Originals von Cher.

Aber da hat das Publikum schon eine geschlagene halbe Stunde lang die uninspirierten Leisetreter-Stücke des Pulp-Gitarristen Richard Hawley ertragen, der einen undankbaren Job im Vorprogramm erledigen muss. In der fünfköpfigen, schlecht ausgesteuerten Tourband brilliert dafür der Blondie-Trommler Clem Burke, die Geigen kommen vom Band. Der Rest ist der Spagat zwischen altehrwürdigen Hits und der neuen, mit Morrisey, Thurston Moore und anderen produzierten CD „Nancy Sinatra“ von 2004. Bei „Something stupid“ kommt die Stimme des verstorbenen Vaters vom Band, ein makabres Duett. Neben „Two shots of happy, one shot of sad“, das Bono von U2 Vater Frank widmete und bei dessen Tochter Nancy nun leicht nach „Bang! Bang!“ klingt, bleibt vor allem „Burning Down The Spark“, von Joey Burns komponiert, hängen.

Am Ende dürfen dann die Stiefel, die ihr im September verspätet den verdienten Stern im Hollywood Walk of Fame einbringen werden, durch den Saal marschieren. Als die immer noch stimmgewaltige Nancy ein Bad in der bis dahin sittsamen Menge nimmt, ist das so echt wie Showbiz nur sein kann und die Sinatra noch mal ganz die Alte: die letzte leibliche Erbin des American Way of Entertainment.

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