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Kultur: Bankrott der Baukunst

Falk Jaeger über die Berliner Schlossentscheidung

Nun ist es amtlich. Der Architektenwettbewerb für das Humboldtforum in Berlin ist ausgelobt, und er schreibt zwingend dreiseits historische Fassaden als Schlossattrappe vor, mit Kuppel. Die Folgen sind kaum abzusehen, die Architekten kratzen sich am Hinterkopf. Denn das Bauministerium, immerhin Träger der Stiftung Baukultur, überreicht es ihnen schriftlich: Es gibt in der Bevölkerung kein Vertrauen mehr in die zeitgenössische Architektur. Unsere Baukünstler sind nicht in der Lage, eine solch repräsentative Aufgabe zur Zufriedenheit aller zu lösen.

Mit einem rekonstruierten Schloss, glaubt man, kann hingegen nichts schiefgehen. Zumindest außen. Welche Probleme und Zwänge beim Eintüten der heutigen Ansprüche in die teils barocke, teils biedermeierliche Hülle auftreten werden, interessiert niemanden.

Die Architekten haben sich die katastrophale Niederlage größtenteils selbst zuzuschreiben. Trotz zahlreicher Wettbewerbe, Ausstellungen und Einzelinitiativen ist es ihnen nie gelungen, überzeugende Alternativen zum Faksimileschloss wirkungsvoll ins Gespräch zu bringen. Dabei hat es durchaus welche gegeben, doch sie verblassten gegen die trunkenen Hirngespinste, dümmlichen Albereien und (preußisch!) strengen Zwingburgvisionen, die sich bildmächtig in den Vordergrund drängten. Ein Rummelplatz innerhalb der Schlosshülle, ein Platz für Beachvolleyball, ein Schloss in Aspik, eine neue Aufmarschachse, das alles mögen witzige oder hintersinnige Kommentare gewesen sein, doch sie zerstörten das Vertrauen in die Architektenschaft und machten Angst, Angst vor einem Architektenspleen, der den „bedeutendsten Bauplatz der Nation“ im Herzen Berlins auf lange verschandeln würde.

Was ist schiefgelaufen? Zu lange war nicht klar, wie der Ort genutzt werden sollte (und auch die nun in Aussicht genommene Nutzung vermag nicht wirklich zu überzeugen). Hätte es ein gewichtiges, möglichst staatstragendes Programm gegeben, hätte man auch einen substanziellen Wettbewerb veranstalten können, und die Architekten wären nicht ins haltlose Fantasieren gekommen. All die Initiativen und Wettbewerbe waren ohne Dotierung und ohne Erfolgsaussichten, und so konnten die Architekten aus rein ökonomischen Gründen keine ausgereiften, stichhaltigen Vorschläge machen. Die Schlossbefürworter hingegen hatten es einfach. Sie zeigten die nostalgieseligen braunstichigen Fotos herum (und schwiegen zum neuen Inhalt).

Nun also wird er gebaut, der vermurkste Bauschwurbel, mit hinterlüfteten Sandsteinfassaden vor dem Betonskelett, mit Fenstern, die andere Stockwerksteilungen vorgeben als im Inneren gebraucht, mit einer modernen Ostfassade, weil man die historische für nicht reproduzierbar hielt (warum eigentlich nicht?), mit ein paar rekonstruierten, ein paar auf Ältlich gemachten und vielen modernen Innenräumen. Mit einem Nutzungssammelsurium, das nur durch ein aufwendiges Informationssystem orientierbar wird. Eine Bankrotterklärung der deutschen Baukultur.

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