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Kultur: Barenboim trifft Furtwängler Berliner Philharmonie: eine

Auszeichnung für die Staatskapelle

Der Klang, so alt und doch so neu, den die Staatskapelle Berlin unter ihrem Chefdirigenten Daniel Barenboim pflegt, bringt ihr und der Stadt längst überregionalen Ruhm ein. Das junge Jahr 2003 sieht die Musiker nun schon zwei Mal preisgekrönt. Denn dem Grammy schließt sich der Wilhelm-Furtwängler-Preis an. Elisabeth Furtwängler, die 92-jährige Witwe des legendären Dirigenten und Initiatorin des Ehrenpreises, ist aus der Schweiz angereist, um der Verleihung im Rahmen eines Staatskapellenkonzerts in der Philharmonie beizuwohnen.

„Der elfjährige Daniel Barenboim ist ein Phänomen“, schreibt Furtwängler nach einem Salzburger Treffen 1954. Für Barenboim entwickelt sich daraus eine Seelenverwandtschaft und die Verpflichtung, sich auch dem kompositorischen Werk seines Vorbilds als Interpret zu stellen. So liegt neuerdings die zweite Sinfonie von Furtwängler in einer Einspielung des Chicago Symphony Orchestra unter Barenboim vor. Die Laudatio Klaus von Trothas, des ehemaligen Kulturministers von Baden-Württemberg, zielt zudem auf die politische Seite der Kunst Barenboims. Dass er mit seinem Freund Edward Said den West-Eastern-Divan Workshop ins Leben gerufen hat, führt zu sensationellen Begegnungen arabischer und israelischer Musiker. Eines ihrer Friedenskonzerte faszinierte im letzten Herbst in Berlin.

Ein reines Schumann-Programm mit zwei Sinfonien, der zweiten in einem seltsam gefährdeten oder nicht ganz geheurem C-Dur, der bedeutenderen vierten in d-Moll und der „Dichterliebe“ verlangt dem Publikum schon ohne das retardierende Moment einer Preisverleihung gehörige Konzentration ab. Dass es dennoch heiß begehrt ist, wie der Andrang auf das ausverkaufte Haus zeigt, hat mit den Interpreten zu tun. Thomas Quasthoff singt, begleitet von Barenboim, den Heine-Zyklus, indem er den Kontrast von Pathos und Ironie gänzlich zurücknimmt. Die poetischen Requisiten wie Lilie und Nachtigall erscheinen so still in der Empfindung, als gäbe es keine verbrauchten Klischees. „Wilder Schmerzensdrang“ wird eingebunden in das langsame Piano des „Liedchens“. Romantische Einsamkeit dominiert das „Ich liebe dich“, weil die scheinbar kunstlose Interpretation hohe Kunst ist.

Mit ihrer eher herkömmlichen, oft dichten Instrumentierung fordern die Sinfonien Orchestervirtuosität heraus: Einig in den Vivace-Motionen, im Nachtstück wie der Romanze, folgt die Staatskapelle der romantischen Fantasie ihres Dirigenten, selbst wenn er einmal Leichtsinn walten lässt. Als ob das Singen nicht enden will, entfaltet die Musik ihr leidenschaftlich entfesseltes Suchen und das Versinken des Klanges jenseits instrumentaler Revolutionen.

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