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BAROCKOPER„Der geduldige Sokrates“: Fledermausgesichter

Die Pioniere der deutschen Alte-Musik-Bewegung waren schockiert. Durch die Entdeckung der großen Bachschen Passionen angespornt, hatten sie sich zur Wende des 20.

Die Pioniere der deutschen Alte-Musik-Bewegung waren schockiert. Durch die Entdeckung der großen Bachschen Passionen angespornt, hatten sie sich zur Wende des 20. Jahrhunderts endlich daran gemacht, auch die heimische Barockoper nach Schätzen abzugrasen. Dabei stießen sie tatsächlich auf packende Musik. Doch vor den Texten wich man entsetzt zurück: Frech, bunt und nicht selten von einer notorischen Lust an absurdem Slapstick gekennzeichnet, entsprachen sie so gar nicht den Hoffnungen, die man sich auf eine deutsche Nationaloper gemacht hatte. Während man notgedrungen alle 40 italienischen Opern des Wahllondoners Händels wiederbelebte, blieben Stücke wie Georg Philipp Telemanns Oper „Der geduldige Sokrates“ von 1721 lange im Giftschrank der Musikgeschichte.

Deren Handlung hat es in sich: Ein neues Gesetz des Rates von Athen zwingt die Bürger zur Bigamie. Dies bringt selbst den abgeklärten Philosophen Sokrates an den Rand seiner Geduld. Denn statt mit nur einer Xanthippe muss er sich gleich mit zwei eifersüchtigen Frauen herumschlagen, die sich auch noch gegenseitig mit Kosenamen wie „Fledermausgesicht“ beschimpfen. Und doch gelingt es dem Komponisten mit eingestreuten tieftraurigen Lamenti geradezu shakespearsche Kontraste zwischen Ernst und Komik zu erzeugen. „Es klingt, als ob Bach eine Oper geschrieben hätte“, zitiert René Jacobs seine erstaunten Sänger. Es ist nicht der erste Überraschungscoup, den der Dirigent landet: Auch seine Aufführungen von Reinhard Keisers „Croesus“ und Telemanns „Orpheus“ sorgten für erstauntes Augen- und Ohrenreiben. Carsten Niemann

Staatsoper Sa 29.9., 18 Uhr, (Premiere), Mo/Mi 1.10./3.10., 19 Uhr, ab 8 €

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