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Zwei Skulpturen von Georg Baselitz auf dem Vorplatz des Carmen Würth Forum in Künzelsau.

© Robert Schittko © Georg Baselitz 2022

Baselitz im Museum Würth 2 in Künzelsau: Der Mensch steht kopf

Der Unternehmer Reinhold Würth besitzt ein gigantisches Kunstimperium. In seinem neuen Museum von David Chipperfield gratuliert er Georg Baselitz zum 85. Geburtstag.

Auch als Künstler weiß man, was sich gehört. Deshalb schickte Georg Baselitz herzliche Geburtstagsgrüße, als Reinhold Würth 85 Jahre alt wurde. Der Unternehmer ist schließlich einer der umtriebigsten Kunstsammler und Mäzene der Republik und hat auch in seinen zahllosen Museen Werke von Baselitz hängen und stehen. Der kritzelte seine Geburtswünsche auf eine Kugelschreiberzeichnung, die er mit dem Hinweis versah: „Im Alter soll man Mützen tragen“.

Ob mit oder ohne Mütze - nun wird Georg Baselitz selbst am 23. Januar 85 Jahre alt. Reinhold Würth revanchiert sich auf seine Weise: mit einer Ausstellung zum Spätwerk des Künstlers in Künzelsau. Hier in dem kleinen Städtchen in Baden-Württemberg wurde aus einem Zwei-Mann-Familienbetrieb das weltgrößte Unternehmen für Schrauben und Befestigungstechnik.

In Künzelsau hat Reinhold Würth aber auch schon früh sein Konzept erprobt, Ausstellungen in den Firmengebäuden zu machen. Inzwischen gibt es in ganz Europa Kunstdependancen, außerdem unterhält man in Schwäbisch Hall ein beeindruckendes Museum und wird in der Johanniterkirche Hochkarätiges aus dem Spätmittelalter gezeigt.

Die Geburtstagszeichnung von Baselitz hängt nun im Museum Würth 2, dem jüngsten Standort des Würth-Kunstimperiums. 2020 wurde in Künzelsau ein spektakuläres Museum von David Chipperfield eröffnet. Es liegt in einem weitläufigen Skulpturengarten, in dem Werke von Tony Cragg, Niki de Saint Phalle und, natürlich, Georg Baselitz stehen. Neben der Sammlungspräsentation ist im Museum Würth 2 nun eine Auswahl von Arbeiten von Baselitz zu sehen.

Die wacklige Signatur auf einigen Blättern lässt vermuten, dass die Hand des 85-Jährigen nicht mehr die Ruhe und Entschiedenheit von einst besitzt. An seinem Erfolg ändert das nichts. Im internationalen Ranking „Kunstkompass“ stand Baselitz auch im vergangenen Jahr wieder auf Platz drei – nach Gerhard Richter und Bruce Naumann. Das lässt sich auch an den Preisen ablesen. So wurde im vergangenen Jahr etwa eine Skulptur, ein gelber Frauenkopf, für 11,2 Millionen Dollar versteigert.

Auch wenn die Ausstellung nicht den rebellischen Künstler von einst zeigt, der als junger Mann mit seinem Bild „Die große Nacht im Eimer“ bekannt wurde und provozierte, weil er einen Jungen beim Masturbieren dargestellt hatte.

„Zwei Cairn Terrier auf rotem Armstuhl“ von Georg Baselitz (2008).

© Georg Baselitz/Foto: Jochen Littkemann / Georg Baselitz/Foto: Jochen Littkemann

Das Werk der vergangenen Jahre ist ruhiger und macht doch deutlich, worum es Baselitz immer ging. Wie seine Kollegen suchte er im Nachkriegsdeutschland eine Antwort darauf, wie eine Kunst nach dem Nationalsozialismus aussehen könnte. Andere flüchteten sich in die Abstraktion. Baselitz dagegen meinte: „Es ist gut, ein Motiv zu haben.“

Da er den Botschaften gegenständlicher Motive misstraute, aber dennoch ein Motiv benötigte, stellte er seine Figuren fortan auf den Kopf, um eine plakative Wirkung zu verhindern. Die Ausstellung macht aber auch deutlich, dass er dieses Rezept nicht als Masche reproduzierte, sondern immer wieder andere Wege erprobte und Figuren auch zerstückelte.

Bei seinem „Geteilten Held“ von 2006 passen Ober- und Unterkörper nicht zusammen. In Künzelsau stößt man auch auf fragmentierte Körper. Hier ein einsames Bein aus glänzender Bronze, dort die Skulptur „Römischer Gruß“ (2004), ein überdimensionaler Stiefel.

Während andere die Skepsis vor deutbaren Motiven letztlich zu einer inhaltsleeren Kunst führte, die sich nur noch auf ästhetische Fragen kapriziert, ist es Baselitz gelungen, seinen Figuren über die stark sinnliche Wirkung doch existenzielle Aspekte einzuschreiben. Häufig geht es um die Brüchigkeit der Kreatur an sich - und beeindruckt er durch einen freien, fast wilden Pinselstrich, der doch ungeheuer präzise und prägnant wirkt. Ausstellung bis 16. Juli, geöffnet täglich 11 bis 19 Uhr, ab April täglich 11 bis 19 Uhr

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