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Kultur: Bau, Schau, Wem

Wenn das noch junge Foto-Zentrum C/O Berlin sein neues Studio mit Arbeiten des japanischen Fotokünstlers Naoya Hatakeyama eröffnet, ist das schon eine Leistung. In dem ebenerdigen Einzelraum wird laut Ankündigung „junge und experimentelle Positionen der aktuellen Fotografie“ präsentiert werden, ein „Experimentierraum für junge und unbekannte Arbeiten deutscher und internationaler Fotografen“ soll entstehen.

Wenn das noch junge Foto-Zentrum C/O Berlin sein neues Studio mit Arbeiten des japanischen Fotokünstlers Naoya Hatakeyama eröffnet, ist das schon eine Leistung. In dem ebenerdigen Einzelraum wird laut Ankündigung „junge und experimentelle Positionen der aktuellen Fotografie“ präsentiert werden, ein „Experimentierraum für junge und unbekannte Arbeiten deutscher und internationaler Fotografen“ soll entstehen. Der 1958 im japanischen Iwate geborene Naoya Hatakeyama jedoch ist etwa so jung und unbekannt wie hierzulande die Becher-Schüler Gursky, Schütte, Ruff. Auf der Biennale in Venedig 2001 wurde sein Werk gefeiert und ausgezeichnet, allein im letzten Jahr gab es größere Hatakeyama-Ausstellungen in Frankfurt, Nürnberg und Hannover. Wenn C/O Berlin die Arbeiten des japanischen Fotografen nun in Berlin zeigt, ist das längst überfällig. Es ist jedoch, mit 18 Exponaten in der kleinen Studio-Form, kaum mehr als ein Appetizer.

Hatakeyamas Arbeiten sind Langzeitprojekte. Seit Mitte der Achtzigerjahre verfolgt er in Bildserien den Weg des Betons vom Abbau bis zur Verarbeitung. Das beginnt mit Großaufnahmen der Betonwerke: bläulich schimmert das Morgenlicht, golden die Abendsonne auf den verschachtelten Dächern. Fast romantisch, diese Ansichten aus den Hochburgen der Industrialisierung. Nicht von ungefähr fühlt sich mancher an japanische Tempelanlagen erinnert, oder an jene golden verklärten Reminiszenzen, die Maler im 19. Jahrhundert aus Italien mitbrachten. Malerisch ist Hatakeyamas Arbeit auch, weil sie keinen genau zu definierenden realen Moment wiedergibt. Seine Fotografien sind Langzeitbelichtungen, auf denen alle Spuren sich bewegenden menschlichen Lebens ausgelöscht sind. Was Hatakeyama zeigt, kann das menschliche Auge so nie wahrnehmen, weil schon der nächste Wimpernschlag das Bild zerstört. Oder, wie in der Serie von Sprengungen im Kalksteinabbau, die menschliche Wahrnehmung zu langsam ist für die sekundenschnelle Explosion, die Gesteinsbrocken wie ein Feuerwerk in die Luft schleudert, bis das Bild – wie der Berliner Kunstkritiker Peter Herbstreuth bei der Eröffnung bemerkte – in einem Wirbel einzufrieren scheint.

Das gilt auch dort, wo Hatakeyama Orte sucht, die ein Mensch freiwillig nie betreten würde. Seine Aufnahmen der Kanalisation von Tokio spielen mit einem raffinierten Spiegeleffekt. Die Oberfläche des Brackwassers verdoppelt das Bild, lässt das Auge ratlos nach Anhaltspunkten suchen. Es entstehen, wie bei den (leider nicht gezeigten) Aufnahmen, in denen sich Tokios Straßen in den Kanälen spiegeln, Positiv- und Negativversionen einer Ansicht. Die Bilder aus Osaka, auf denen sich eine Modellsiedlung ins Rund des später demontierten Stadions schmiegt, sind Zeichen pragmatischer Platzausnutzung, künden aber auch vom Niedergang der Zivilisation (Foto: C/O Berlin, © Naoya Hatakeyama, Sammlung BauArt, Heidelberg Cement). Die letzten Fotos Hatakeyamas, auf denen die Welt hinter der Windschutzscheibe in einem Schauer von Regentropfen verschwimmt, enthält die Ausstellung uns vor. Weil sie vom Ende einer Vision erzählen?

C/O Berlin, Linienstraße 144, bis 11. April. Täglich 11 bis 19 Uhr.

Christina Tilmann

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