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Kultur: Baut den Lucas

Die kleinen Großen (5): das Ensemble der Cranach-Höfe in Wittenbergs Altstadt

In Berlins Umgebung gibt es zahlreiche Museen mit ungewöhnlichen Sammlungen: Anlass für sommerliche Tagesreisen zu den „kleinen großen“ Kunst- und Ausstellungshäusern. Bisher stellten wir das Jagdschloss Schorfheide (10. 7.) vor, die Franckeschen Stiftungen in Halle (16. 7.), das Ofenmuseum in Velten (26.7.) und das Schulmuseum in Reckahn (5. 8.).

Berühmt geworden ist Lucas Cranach der Ältere für seine Malerei und Grafik. Die ersten nachweisbaren Spuren seiner Existenz entstanden jedoch wegen eines Nachbarschaftsstreits. Der Vater hatte gegen eine Nachbarin geklagt, sie soll seine Kinder als „wütige Hunde“ beschimpft haben. Lucas, Anfang zwanzig, war indes auch nicht zimperlich. „Alte Teufelshure“ soll er im Gegenzug der Mutter der streitbaren Nachbarin entgegengeschleudert haben.

Vermerkt ist der Disput im Gerichtsbuch der fränkischen Stadt Kronach, der Heimatstadt des Künstlers. Ihrem früheren Namen – Cranach – hat er auch den eigenen Beinamen entnommen. Die Gerichtsschrift hat Kronach derzeit an die Cranach-Höfe in Wittenberg verliehen. Denn sie widmen sich in einer Sonderausstellung den frühen Jahren des Künstlers – also jener Zeit, in der er noch nicht in der Lutherstadt lebte.

Dorthin kam er 1505, nach einem längeren Aufenthalt in Wien. Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise hatte ihn zum Hofmaler berufen. 40 Jahre blieb Cranach in der Stadt. Sein Sohn Lucas Cranach der Jüngere übernahm später die Werkstätten und festigte den Ruf der Künstlerfamilie in Wittenberg. Heute kann man die beiden Wohnhäuser wieder besuchen – eine Wittenberger Bürgerinitiative hatte 1989 zur Rettung der verfallenen Höfe aufgerufen.

Vor drei Jahren wurden die eigentlichen Sanierungsarbeiten im Haus am Markt 4 abgeschlossen. Das Anwesen an der Schlossstraße 1, nur wenige Schritte in der Fußgängerzone entfernt, wurde 2009 fertiggestellt. Nun fehlen nur noch die Schuppen im großzügigen Hinterhof mit dem alten, krummen Pflaster und der großen Kastanie.

Die Cranach-Höfe in bester Altstadt-Lage werden durch eine Stiftung betrieben. Neben dem Museum gibt es eine Malschule, Kunsthandwerker-Ateliers, eine Druckerei, Herbergszimmer, ein Café und ein Restaurant. Die Dauerausstellung erzählt nicht nur von dem bedeutenden Renaissance-Künstler, der in seinen Werkstätten Dutzende von Gesellen ausbildete und für deren Unterkunft wohl viel Platz in beiden Höfen nötig war, sondern auch von Cranach als findigem Geschäftsmann und einem der reichsten Bürger der Stadt, der es bis zum Bürgermeister brachte und dank seiner Anstellung am Hofe gut verdiente.

Cranach führte außerdem eine Apotheke und hatte somit ein lukratives Monopol auf Gewürze, Zucker und Wachs. Auch heute wieder steht eine Apotheke am selben Ort. Ebenso eine Gastwirtschaft – Cranach hatte die Lizenz zum Weinausschank. Über allem thront das Signet des Malers, eine geflügelte Schlange. Der Kurfürst hatte ihm dieses Wappentier verliehen. Auf Cranachs Holzschnitten und Ölbildern ist sie als Schnörkel zu erkennen.

Lutherstadt Wittenberg könnte also auch Cranachstadt heißen. Nicht nur, weil der Maler die Stadtkirche mit einem dreiflügeligen Altar ausstattete. Der Reformator und der Künstler waren eng miteinander befreundet. Martin Luther soll Cranach als Brautwerber zu Katharina von Bora geschickt haben, erfolgreich. Beide machten sich jeweils zum Patenonkel für eines ihrer Kinder. Und Cranach war einer der wenigen Mitwisser von Luthers Versteck auf der Wartburg. 1522 verlegte er das sogenannte Septembertestament, die erste deutsche Übersetzung des Neuen Testaments, und schuf dafür 21 Illustrationen. Dank des noch jungen Buchdrucks ließen sich die reformatorischen Ideen schnell verbreiten. Der Nachbau einer damals üblichen Presse steht heute wieder auf historischem Grund, im Erdgeschoss des Hofes am Markt 4. Hier hatte der Meister die Druckwerkstatt eingerichtet. Im ersten Stock müssen sich der Wohnbereich der Familie und die repräsentativen Räume befunden haben. Spuren des alten Bürgerhauses aus dem 16. Jahrhundert sind erhalten. Alte Türen lassen die ursprüngliche Farbgebung erahnen. Eine Decke weist heute noch das bunte Blumendekor auf, mit dem die Holzbalken einfach übermalt wurden. In der schmalen Hauskapelle schmücken grüne Ranken das Gewölbe.

Dass diese Kostbarkeiten unter mehreren Schichten Putz wieder freigelegt wurden, ist ein Glücksfall – ebenso die behutsame Sanierung. Die Wappen am Eingangstor zur Schlossstraße 1 wurden mit Farben aus Cranachs Zeit angemalt, mit einem Eidotter-Gemisch. Die Achse und das Geländer im Wendeltreppenturm sind in mattem Rot gestrichen. Verwendet wurde hierfür Erde aus der Umgebung Wittenbergs, auch Cranach soll sie für seine Kunst benutzt haben.

Mit der Fertigstellung der CranachHöfe schließen sich nicht nur Lücken in der heutigen Fußgängerzone der Stadt. Neben dem Lutherhaus und dem Melanchthonhaus, das noch bis Anfang 2012 saniert wird, haben nun alle Großen der Reformationszeit ihren eigenen Ort der Erinnerung.

Cranach-Höfe in Wittenberg, Markt 4 und Schlossstraße 1. Mo-Sa 10-17 Uhr, So 13-17 Uhr. Im Winterhalbjahr (01.11.-30.04.) Mo geschlossen. Sonderausstellung „Maler Lucas aus Kronach. Lucas Cranachs frühe Jahre“ bis 25.9. www.cranach-stiftung.de

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