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BDI-Kunstfenster: Ein Japaner gestaltet Free Jazz zum Angucken

Das Kunstfenster im Haus der Deutschen Wirtschaft: Jedes Jahr gestaltet ein anderer Künstler den hohen Raum in de Breiten Straße. Von außen können Passanten durch die große Glasfassade einen Blick hineinwerfen. Zurzeit hängen dort 55 bunte Neonröhren an den Wänden.

Von Anna Pataczek

Manche der Neonröhren überschneiden sich in geraden Linien, manche kräuseln sich. Und sie leuchten in unregelmäßigen Abständen auf, mal die eine Röhre, mal die andere. Je länger der Betrachter davorsteht, desto mehr wird aus dem visuellen Erlebnis ein klangliches: Das blinkende Treiben ist rhythmisch, Free Jazz zum Angucken. Besonders schön ist das nachts, wenn die Röhren in die Dunkelheit strahlen. Die Arbeit heißt „Polyrhythm“. Sie stammt von Takehito Koganezawa. Vor vier Jahren erhielt der aus Tokio stammende Künstler den „Ars Viva“-Preis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft.

Der 35-Jährige liebt das Vogelgezwitscher vor dem Berliner Dom über alles. Auf Partys hält er Gesprächsfetzen und Gläserklirren mit einem Aufnahmegerät fest. Er sammelt in seiner Wohnung zahlreiche Musikinstrumente, vom Akkordeon bis zum Koto, einer japanischen Zither. Spielen kann er sie nicht. „Ich liebe es, Instrumente zu berühren“, sagt er. Wahrscheinlich reicht es ihm, wenn er sie in seinem Kopf hört.

Bei seiner letzten Ausstellung in der Loock Galerie in der Halle am Wasser hatte er alte Kassettenrecorder auf dem Boden platziert, die in gewundenen Stromkabeln an einer Steckdose angeschlossen waren. Aus ihnen kam ein kaum vernehmbares Rauschen. Es sei denn, ein Galeriebesucher lief vorbei mit einem Handy in der Tasche, und bevor er merkte, dass es klingelte, meldeten das bereits die Rekorder mit den typischen Störgeräuschen. Es fiepte aus den Boxen. Wenn es der Zufall nicht wollte, blieb das Werk stumm.

Auch Zufälle liebt Koganezawa. Wenn er zeichnet, lässt er sich treiben, selbst wenn das bei seinen heiter-bunten Arbeiten mit Blumen in Vasen, Männern und Mädchen kaum vorstellbar ist. Wenn er Motive auf das Blatt setzt, dann tut er das absichtslos, ohne Ziel. „Vieles schmeiße ich einfach weg“, sagt Koganezawa. Manchmal wechselt er den Stift von der einen Hand in die andere. Er versucht mit Körperbeherrschung die Kontrolle zu verlieren. Man mag darin seine asiatische Herkunft erkennen, Japan, Zen und die Suche nach der meditativen Versenkung. Oder aber die Tatsache, dass er bis zu seinem 18. Lebensjahr mit Kunst nichts zu tun hatte. Seine Mutter arbeitet als Yoga-Lehrerin. Sein Vater war einst Spieler der japanischen Fußballnationalmannschaft, heute ist er Trainer.

Für Takehito selbst gab es lange Zeit nichts anderes als Sport. Wäre nicht das halbe Fußballteam, in dem er kickte, nach der Schule auf die Akademie in Tokio gegangen, hätte er nie zur Kunst gefunden. So erzählt es Koganezawa jedenfalls. Er landete in der Filmregie-Klasse, zwischen lauter Cineasten. Kino bedeutet jedoch Teamarbeit. Und weil der junge Mann nach Jahren des Gemeinschaftssports darauf keine Lust mehr hatte, wendete er sich der Videokunst zu. Das Spielerische hat er sich bis heute bewahrt.

Kunstfenster im BDI, Breite Str. 29, Öffnungszeiten nach telefonischer Vereinbarung: 030-20 28 15 31, www.kulturkreis.eu

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