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Kultur: Beer-Day (Glosse)

Nicht immer ist das Leben eine prickelnde Langzeitstudie. Vor das Paradies feuchtfröhlicher Betriebsweihnachtsfeiern haben die nordischen Götter den November gesetzt.

Nicht immer ist das Leben eine prickelnde Langzeitstudie. Vor das Paradies feuchtfröhlicher Betriebsweihnachtsfeiern haben die nordischen Götter den November gesetzt. Ja, manchmal ist richtig November. Da werden nicht nur Tage erschreckend kurz, da muss das Ende der Tage überhaupt bedacht werden. Volkstrauertag! Totensonntag!! In diese ernste Situation platzt die neueste Harvard-Studie. Sie stimmt uns auf das Monatsthema ein - und bereitet uns, gewissermaßen, auf die Weihnachtsfeier vor. 22 000 Ärzte haben für diese Erhebung zwölf Jahre lang wöchentlich, ihres Eides eingedenk nicht Leib noch Leben schonend, mehr als 330 Milliliter Bier bzw. 120 Milliliter Wein getrunken. Die gute Nachricht: Ihr Schlaganfallrisiko verringerte sich durch den steten Tropfen um 20 Prozent, was in Deutschland die dritthäufigste Todesursache betrifft. Die schlechte Nachricht: "Wegen der mit einem unbedachten Konsum verbundenen enormen sozialen Probleme" seien die Ergebnisse "nicht ohne Weiteres auf die Allgemeinbevölkerung zu übertragen". Ist es Zufall, dass zur selben Stunde, da der zwiespältige Doktor-Report die Enden der Erde erreicht, Englands Bauern als Revanche für ihr in Frankreich verschmähtes Rindfleisch dem Beaujolais Nouveau den Boykott ansagen - und einen "British Beef and Beer Day" ausrufen, der unserem Volkstrauertag würdig an die Seite treten kann? Es ist wohl auch Schicksal, dass ausgerechnet in diesen schwarzen Wochen, wenn wir an BSE denken müssen, an Schlaganfälle, die entzogenen Führerscheine des Jahrhunderts und die Kosten unseres Gesundheitssystems, dass gerade in diesen melancholischen Tagen das New England Journal of Medicine eine Studie veröffentlicht, nach der 25 Prozent aller Selbstmorde von Personen verübt werden, die während der letzten zwölf Monate eine Waffe gekauft haben. Waffenkäufer neigen eher zum Suizid als Nichtkäufer, schlussfolgert die Zeitschrift. Gewiß ist das hierzulande anders - wie aber verhält sich das bei Waffenhändlern? Und wie eigentlich misst man 120 Milliliter? Nein, manchmal ist wirklich November.

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