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Kultur: Bei der Fahnenstange bleiben

Der Nippes-Patriotismus: Am Postdamer Platz zeigt der Souvenirladen „Good old Germany“ Deutschland, wie es wirklich ist

Was haben die Deutschen sich selbst überrascht in den vergangenen Wochen: Aus Schwarz-Rot-Gold wurde „Schwarz- Rot-Geil“, die Staatsfarben fädelten sich als Blumen an Hawaii-Kettchen auf und aus dem trübsinnigen Deutschland wurde das lustige „Schland“. Die Deutschen waren endlich mal so, wie sie das Ausland häufig sieht: Cool, klug und sexy. Patriotismus light, denn Schwarz, Rot und Gold waren Vereinsfarben.

Cool, klug, sexy und trotzdem der Vergangenheit verpflichtet wollen auch die Geschäftsführer des Design- und Souvenirladens „Good old Germany“ sein. Niels Humpert und Sascha Suden, die zwei renommierte Lifestyle- und Floristikläden mit Namen „Humpert & Suden“ betreiben, haben für die Dauer von drei Monaten Ladenflächen am Potsdamer Platz gemietet. Hier präsentieren sie blühende Landschaften aus Porzellan, Mode, alten Bauelementen, Tapeten und Nippes. Pflegeprodukte von Weleda und Dr. Hauschka liegen neben dem vor hundert Jahren in München entwickelten Spieleklassiker „Mensch ärgere dich nicht“, überkandidelte Erzeugnisse hipper Berliner Designwerkstätten, die erst seit wenigen Wochen bestehen, neben Puppen der traditionsreichen Manufaktur Käthe Kruse und Edeluhren aus Glashütte. „Wir wollen Firmen zeigen, die einen Bogen schlagen von Historischem zu Zeitgenössischem“, sagt Niels Humpert. Sascha Suden ergänzt: „Allen Produkten ist gemein, dass gute Ideen und Unternehmerpersönlichkeiten dahinter stehen. Und uns war die Liebe zum Detail und die schöne Verpackung wichtig.“

Entscheidend für die Aufnahme in die Kundenkartei war überdies die Herkunft: Auch wenn nicht jeder Artikel der 35 Firmen in Deutschland hergestellt wurde – hier wurden alle Produkte entwickelt. Niels Humpert und Sascha Suden sehen zwar hinter ihrer Geschäftsidee keinen patriotischen Beweggrund. „Allerdings möchten wir vermitteln, dass Deutschland auch leicht und lebensfroh ist. In diesem Sinne sind wir schon Patrioten“, führt der ehemalige Journalist Suden weiter aus. Dafür bedienen sich die beiden Ladenbesitzer auch Klischees, an die Touristen anknüpfen können. So ließen sie etwa Schwarzwaldmädels in Trachten über den Potsdamer Platz ziehen.

Meist jedoch rücken Humpert und Suden die Stereotypen ins Spielerische: Der Name des Shops ist in Fraktur gesetzt, aber das knallige Neon-Pink entschärft die historische Konnotation. Auch die Schattenrisse auf den Flyern, Tassen und Werbebannern sind von Neon umrankt. Neben den allgegenwärtigen Brezeln erkennt man in den Silhouetten die reiche Motivwelt Grimmscher Märchen wieder: Wie Bremer Stadtmusikanten stapelt sich Junge auf Ziege, Hase auf Junge, Mädchen auf Dackel, Narr auf Schwan. Die „Brothers Grimm“ werden auf ewig Deutschlandbilder in die Kinderköpfe dieser Welt pflanzen. Man kann sie bestenfalls schütteln, aber nicht abwerfen.

Es gilt also mit den – oft positiv besetzen – Vorurteilen über Deutschland zu arbeiten: Von den Ingenieursleistungen in deutschem Stahl über die Dichter und Denker bis zur pausbackigen Sexyness einer Claudia Schiffer – „Good old Germany“ knüpft an die rühmlicheren Seitendes „Made In Germany“-Labels an.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Großbritannien verfügt, dass Stahl-Produkte mit einem Herkunftsnachweis zu markieren seien. So sollte der britische Markt insbesondere vor den vermeintlich schlechteren deutschen Erzeugnissen geschützt werden. Doch das Gegenteil trat ein: Bevorzugt wurden „Made- In-Germany“-Artikel gekauft, da man sie bald qualitativ für hochwertiger hielt. Seither ist die deutsche Herkunft international ein Gütesiegel. Dr. Hauschka, Birkenstock oder die Porzellan-Manufaktur Nymphenburg feiern im Ausland große Erfolge – nicht zuletzt, weil sie Deutschland-Klischees bedienen. Jörg Richtsfeld, Geschäftsführer der Nymphenburg- Manufaktur, sieht deshalb auch die Tafel-Services, Majoliken und Porzellan-Figuren seiner Firma in dem Laden „Good old Germany“ bestens aufgehoben: „Wir sind gut, alt und wurden in Deutschland gegründet. Für unsere Kunden ist das ein Zeichen besonderer Qualität. Die wollen kein chinesisches oder rumänisches Porzellan.“ Allerdings, ergänzt Richtsfeld, werde die Porzellan-Manufaktur mit der bayrischen Landesfahne im Logo vor allem als bayrisches Unternehmen wahrgenommen.

„Good old Germany“ zeigt ein Deutschland, das sich auffächert in eine Vielzahl von Regionen, Motiven und Ideen. Eine Auswahl von Büchern und CDs und ein kulturelles Begleitprogramm aus Lesungen und Tanzveranstaltungen komplettieren diese ethnologische Sammlung. Und doch kommt auch die in Deutschland unterschätzte Faszination des Auslands an der German angst nicht zu kurz: Zwischen den Auslagen strecken sich schwarz gestrichene Bäumchen den Kunden entgegen. Eigentlich wollen Humpert und Suden mit dieser Dekoration den Namen „Schwarzwald“ wörtlich nehmen. Doch die Sträucher stehen ebenso für das Düstere der deutschen Geschichte, den deutschen Wald, die schwarze Romantik und das verschwobelt Melancholische.

Humpert und Suden haben Deutschland mit den Augen von Touristen gesehen und für gut befunden. Deutschland, zu Gast bei sich selbst, erkennt, dass es zu Gast bei Freunden ist.

„Good old Germany“ im Beisheim Center, Berliner Freiheit 2, Tiergarten. Tägl. 12–22 Uhr, Sa/So bis 24 Uhr.

Daniel Völzke

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