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der graue Himmel über Berlin.

© dpa

Berlin im Winter: Fünfzig Arten Grau

Im Winter zeigt sich Berlin als graue Stadt an der grauen Spree. Und der Himmel? Auch grau. Unsere Autorin findet das alles andere als schlimm.

Er sieht trübe aus, murren sie, macht miese Stimmung, so öde, dieses Grau in Grau. Stimmt doch gar nicht. Na sicher, des Nachts sind alle Katzen grau. Doch am Tage, da ist Grau nur alle Theorie. Auch im Januar hat der Himmel über Berlin, der grauen Stadt an grauer Spree, Schattierungen. Mal geschichtet wie ein Wolkenbaumkuchen, mal mit dem Aquarellierpinsel verwischt. Sogar eine geschlossene Wolkendecke kennt fünfzig Arten von Grau.

Das ist ein Farbreiz, der dunkler als Weiß ist und heller als Schwarz, der keinen farbigen Eindruck erzeugt, also unbunt ist, wie Wikipedia weiß. Na bitte, Grau ist sophisticated, alles andere als ein bunter Hund. Der Farbreiz bleibt abstrakt, macht sich nicht gemein, biedert sich nicht an, ist spröde, will erforscht und differenziert betrachtet werden. Romantiker, behaltet euer Blau, Intellektuelle wählen Grau. Und graue Eminenzen.

Der Jahresanfang als Grauzone

Gerade die Jahresanfangsmonate bieten sich traditionell als Grauzone an. Fünf Minuten Fußweg zum Bus oder aus dem Fenster schauen oder nachdenken, und der ganze Reichtum offenbart sich. Aber nur für den, der trotz eines Balkens im Auge sehen kann: Lichtgrau, Taubengrau, Schiefergrau, Mausgrau, Basaltgrau, Bleigrau, Betongrau, Feldgrau, Asphaltgrau, Silbergrau und Anthrazit, der nach einer Kohlesorte benannte Farbton von Wolken, denen gern ein erfrischender Graupelschauer entfährt.

Apropos Balken im Auge. Welche Farbe mag der haben? Egal. Bloß keine grauen Haare drüber wachsen lassen. Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet, heißt es bei Rilke. Von wegen wer hat Angst vor Rot, Gelb, Blau? Der Star der Stunde, der ist grau.

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