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Berlin - Paris: Bei Schwitters auf dem Sofa

Der Galerienaustausch „Berlin – Paris“, der in diesem Jahr in die dritte Runde geht, ist eine kulturpolitische Erfolgsgeschichte: Berlin profitiert von der gewachsenen Sammlerstruktur der französischen Metropole, Paris sieht in Berlin einen jungem Kunstknotenpunkt.

Man kann den Galerienaustausch „Berlin – Paris“, der nach 2009 und 2010 nun zum dritten Mal stattfindet, getrost als kulturpolitische Erfolgsgeschichte beschreiben. Initiiert vom französischen Botschafter in Berlin, Bernard de Montferrand, und organisiert von Cédric Aurelle vom „Bureau des Arts Plastiques“, lebt diese Veranstaltung von ihrer offenen Struktur: Man beschränkt sich auf die Bereitstellung eines losen Rahmens und generiert mit einem gemeinsamen Label und konzertierter Pressearbeit Sichtbarkeit. Alle anderen Belange – von der Partnerwahl über die inhaltliche Abstimmung bis zur Laufzeit der Ausstellungen – liegen in den Händen der Galerien, denen damit die Freiheit zugestanden wird, die sie als privatwirtschaftliche Akteure in einem globalisierten Markt auch gewöhnt sind. Kurz: Die Sache funktioniert, weil sie weniger von oben nach unten implementierte Kulturpolitik ist als Beweglichkeit und Veränderung garantierende Basisförderung.

Der Blick auf die aktuelle Teilnehmerliste offenbart auch gleich, dass das Projekt selbst einer hohen Fluktuation unterliegt. So sind von den 14 Berlinern ganze sechs zum ersten Mal dabei, etwa Ben Kaufmann, Florent Tosin oder Barbara Thumm, in deren Räumen ihre Pariser Partnergalerie „In Situ – Fabienne Leclerc“ Arbeiten von Gary Hill und Patrick Tosani präsentiert. Umgekehrt sind einige ausgestiegen. Esther Schipper zum Beispiel, die zwei Jahre dabei war, aber auch Neugerriemschneider oder die Galerie Neu.

Nur vier Protagonisten von der Spree nehmen konstant teil. Und nur ein einziger ist über all die Jahre seinem Pariser Partner treu geblieben: Mehdi Chouakri, der erneut mit der alteingessenen Pariser Kunsthandelsinstitution „Galerie 1900 – 2000“ kooperiert. Deren sorgfältig zusammengestellte Shows mit Positionen der klassischen Moderne zählten die letzten beiden Jahre zu den Highlights des Austausches. 2011 setzen Chouakri und seine Pariser Kollegen auf eine gemischte Präsentation beider Programme.

Eine pure Klassikerschau, wie man sie im gegenwartsversessenen Berlin viel zu selten zu Gesicht bekommt, liefert dieses Jahr Isabella Bortolozzi, deren Partnergalerie Nathalie Seroussi Werke von Hans Arp und Kurt Schwitters mit an die Spree bringt. Umgekehrt wird Bortolozzi in Paris Arbeiten der jungen Turnerpreisträgerin Susan Phillipz zeigen. Gerade in solchen Kombinationen über programmatische und historische Grenzen hinweg scheint „Berlin – Paris“ am meisten Sinn zu haben, da sie die Unterschiedlichkeit beider Kunstszenen greifbar machen und dabei doch miteinander verknüpfen.

Für einen Kurswechsel in Sachen Partnerwahl haben sich Sommer & Kohl entschieden, in deren Räumen Denise René letztes Jahr eine Miniatur-Museums-Ausstellung mit klassischer Abstraktion, Kinetic Art und Op Art realisiert hatte. Hier ist dieses Jahr mit „The Institute of Social Hypocrisy“ ein von Künstlern geführter Projektraum vertreten. Andere wie Johann König treiben das Prinzip des Ausstausches selbst bis an die Grenzen. Denn bei seiner Präsentation von Arbeiten des Modefotografen Jürgen Teller handelt es sich weniger um den Austausch zweier Akteure auf dem Kunstmarkt als eine Kooperation mit dem Pariser Magazin „Paradis“, in dem Tellers Bilder 2009 veröffentlicht wurden.

Jenseits dessen, dass alle Beteiligten von der gesteigerten Aufmerksamkeit profitieren, scheint der Nutzen, den die Berliner und Pariser Galerien aus der Veranstaltung ziehen, allerdings unterschiedlicher Natur. Für Berlin ist sie die Chance, ihre Fühler in Richtung der französischen Metropole auszustrecken, die über eine ganz andere Sammlerstruktur verfügt und mit der FIAC eine jüngst wiedererstarkte Kunstmesse zu bieten hat. Für die Pariser dagegen mag vor allem die Anziehungskraft und Energie von Berlin als jungem Kunstknotenpunkt den Ausschlag dafür geben, sich am Austausch zu beteiligen. Auf diese Weise ist „Berlin – Paris“ dann doch ein Gewinn für alle: für die Berliner, die Pariser und die französische Kulturpolitik.

So sehr der Galerienaustausch allerdings auf den ersten Blick von der Offenheit und Beweglichkeit seiner Organisationsform profitiert, die dem Kunstmarkt passgenau auf den zappeligen Leib geschneidert ist, so sehr scheint es ihm genau daher auch an längerfristiger Bindungsfähigkeit zu mangeln. Unter Umständen hat ein Projekt, das sich von der Struktur her als Initialzündung im besten Sinne versteht, von vornherein auch nur eine bestimmte Halbwertszeit. Dazu kommt, dass sowohl de Montferrand als auch Aurelle Berlin im Laufe dieses Jahres verlassen werden. Vielleicht stimmt es also, was in dicken Lettern auf der gemeinsamen Pressemitteilung steht, auch wenn man das nicht hoffen mag: „Berlin – Paris. Jamais deux sans trois – aller guten Dinge sind drei“.

Dominikus Müller

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