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Mohammad Rasoulof bei den Filmfestspielen in Cannes 2017.

© REUTERS/Stephane Mahe/File Photo

Update

Regisseur wird „Anstiftung zur Unruhe“ vorgeworfen: Berlinale-Gewinner Mohammad Rasoulof inhaftiert

Nach dem Einsturz eines Hochhauses im Iran beteiligte sich der Filmenacher an Protesten. Seit Freitag befindet er sich im berüchtigten Evin Gefängnis in Einzelhaft.

Der iranische Filmregisseur und Berlinale-Gewinner Mohammad Rasoulof und sein Kollege Mostafa Aleahmad wurden am Freitag verhaftet. Die Justizbehörden werfen ihnen vor, „Unruhe gestiftet und die psychologische Sicherheit der Gesellschaft gestört“ zu haben, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna schreibt. Auch von der Zusammenarbeit mit Regimegegnern ist die Rede. Rasoulof und Aleahmad sollen in ihren Wohnungen festgenommen worden sein, teilten die Produzenten Kaveh Farnam und Farzad Pak via Twitter mit. Am Samstag bestätigten die Anwälte Rasoulofs, dass sich ihr Mandant im berüchtigten Evin Gefängnis in Einzelhaft befindet und verhört wird.

Rasoulof und Aleahmad gehören zu den über 70 iranischen Filmschaffenden, die nach dem Einsturz des Metropol-Turms, einem zehnstöckigen Geschäftsgebäude in der Stadt Abadan in Irans südwestlicher Provinz Khuzestan, bei der am 23. Mai über 40 Menschen ums Leben kamen, in den sozialen Medien einen Appell unter dem Hashtag #put_your_gun_down veröffentlichten. Sie fordern darin die iranischen Sicherheitskräfte auf, angesichts von „Korruption, Diebstahl, Ineffizienz und Unterdrückung“ die Waffen niederzulegen. Seit dem Unglück reißen die Proteste im Land gegen Misswirtschaft und Korruption nicht ab. Die Demonstrationen wurden gewaltsam niedergeschlagen, laut „Washington Post“ kamen dabei Schlagstöcke und Tränengas zum Einsatz.

Der 49-jährige Rasoulof gewann vor zwei Jahren mit dem von Farnam und Pak produzierten „Es gibt kein Böses“ den Goldenen Bären auf der Berlinale den Goldenen Bären. Der Film thematisiert die Todesstrafe und die Wehrpflicht im Iran und stellt in vier Episoden Fragen nach den Möglichkeiten der persönlichen Freiheit und der Menschenrechte unter den Bedingungen der politischen Unfreiheit. Den Preis nahm 2020 seine Tochter Baran Rasoulof entgegen, die im Film mitspielt.

Rasoulof seit Jahren der Willkür der Behörden ausgesetzt

Rasoulof ist seit vielen Jahren Repressalien ausgesetzt und sieht sich ähnlich wie der international ebenfalls gefeierte Regisseur Jafar Panahi immer wieder mit der Willkür der iranischen Behörden konfrontiert. Nach einer ersten Verurteilung 2010 – parallel zu der von Panahi – war Rasoulof 2019 erneut in Teheran zu einem Jahr Gefängnis und zwei Jahren Berufs- sowie Reiseverbot verurteilt worden, nachdem sein Film „A Man of Integrity“ in Cannes als bester Film der Reihe Un Certain Regard ausgezeichnet worden war.

Baran Rasoulof, die Tochter des Filmemachers, und die Produzenten Kaveh Farnam (l.) and Farzad Pak nehmen 2020 stellvertretend den Bären für "Es gibt kein Böses" entgegen.

© REUTERS/Michele Tantussi

Bei seiner Rückkehr in den Iran behielten die Behörden damals seinen Pass ein. Die Haftstrafe musste er seitdem aber nicht antreten. Ein zweites Verfahren hängt ihm für die Arbeit – trotz Berufsverbots – an dem investigativen Dokumentarfilm „Intentional Crime“ zum Tod des iranischen Dichters und Autors Baktash Abtin an. Die Protestnote unter dem Hashtag #put_your_gun_down ist nun der dritte Anklagepunkt der Justizbehörden, der das Fass zum Überlaufen brachte. Über die Situation von Mostafa Aleahmad ist derzeit nichts bekannt.

Mit der Verhaftung Rasoulofs verschärft sich die Situation von Künstlerinnen und Künstlern im Iran weiter. Im Februar 2021 hatte der Regisseur im Tagesspiegel-Interview gesagt, dass „die Zahl der Nein-Sager steigt, es ist überall zu spüren, im Alltag, im Gespräch mit Freunden, auf der Straße, im Internet". Das habe zur Folge, dass die Repressionen stärker werden, was wiederum den Widerstand stärke. „Nein-Sagen bringt große Schwierigkeiten mit sich, aber es hat auch eine große Schönheit.“

Auch das Leitungsduo der Berlinale, Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, fordert in einer ersten Stellungnahme des Festivals die iranischen Behörden zur „umgehenden“ Freilassung der beiden Regisseure auf. „Wir sind besorgt über die Verhaftung von Mohammad Rasoulof und Mostafa Al-Ahmad. Es ist erschütternd, dass Künstler für ihren friedlichen Einsatz gegen Gewalt in Haft kommen.“ Rasoulof hatte 2021 als Jurymitglied an der Berlinale teilgenommen, er musste allerdings aus dem Iran zugeschaltet werden.

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