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Auf der Berlinale unterwegs: Harald Martenstein.

© Thilo Rückeis

Berlinale-Kolumne: Martenstein, die sechste: Wulff sollte Kinoanzeigen texten

Im „Cubix“ saßen etwa 20 Leute, wir sahen „Zettl“ von Helmut Dietl. Da wurde mir klar, dass aus Christian Wulff auch ein sehr guter Texter von Kinoanzeigen geworden wäre.

Wenn man über einen Film vier Verrisse gelesen hat, kann dieser Film eigentlich nur eine positive Überraschung sein. Mein Tipp: Man besuche Kulturveranstaltungen, die, laut Kritik, unterirdisch schlecht sind. Sie sind immer besser als erwartet. Die Schauspieler in „Zettl“ sind gut. Einige Dialoge sind brillant. Man versteht plötzlich all die Leute, die sagen, in der DDR oder unter Saddam Hussein oder im Knast sei nicht alles schlecht gewesen. Das ist sicher ebenfalls richtig. In der DDR gab es ja bestimmt auch brillante Dialoge.

In einer Zeitungsanzeige hatte ich jede Menge positive Kritikerstimmen zu „Zettl“ gelesen. Das fand ich seltsam, das Echo war doch zu 90 Prozent negativ. Allerdings enthielten die Zitate auffällig oft drei Punkte. Die „Zeit“ sagt zu „Zettl“, laut Anzeige, das Folgende: „Brillant … furios …“ Auf „kino.de“ hieß es: „Mit seiner … Hauptstadtkomödie zeigt sich Helmut Dietl in Bestform.“

Als Erstes wollte ich wissen, welches Adjektiv aus „kino.de“ sich hinter den drei Punkten verbirgt, was also von der Werbeabteilung gestrichen wurde. Das gestrichene Adjektiv heißt „hinterfotzig“. Vor diesem Wort hatten sie Angst. Offenbar wollen deutsche Kinobesucher auf gar keinen Fall hinterfotzige Filme sehen. Sind wir wirklich so wenig neugierig?

Dann habe ich in der „Zeit“ das vollständige Zitat nachgelesen, welches in der Anzeige mit „brillant“ zusammengefasst wurde. Es heißt: „Dem Film fehlen trotz seiner brillanten Besetzung die Seele und das Geheimnis.“ Da wurde mir klar, dass aus Christian Wulff auch ein sehr guter Texter von Kinoanzeigen geworden wäre.

Freundschaftsdienste gibt es übrigens überall, auch in der Filmkritik. Deshalb werden zum Beispiel Münchner Regisseure in Münchner Zeitungen oft freundlicher besprochen als anderswo. Bei Dietl stimmte diese Regel seltsamerweise nicht. Vielleicht, weil Berlin in „Zettl“ trotz allem irgendwie interessanter wirkt als München. Ein Sündenbabel, in dem verkommene Menschen ständig bei bester Laune Sex und Drogen konsumieren. Liebe Münchner: Wir würden’s gern ändern, aber so sind wir halt.

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