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Berlinale: Martenstein die Siebte

Harald Martenstein sieht die Welt mal positiver.

Morgens, als ich aufwachte, wusste ich: Dieser Tag wird schön. Mein Gott, ich darf zur Berlinale gehen! Die Sonne schien, sie streichelte meine Haut, meine Muskeln waren geschmeidig, der Kaffee schmeckte wie Champagner. In dem Film „Shahada“ ging es um Muslime in Berlin. Man sah, wie eine Muslima abtrieb und den Fötus in die Spree warf, klar, das war erst mal ein bisschen ein Stimmungskiller, aber am Ende versöhnte sie sich mit ihrem Vater, einem sehr netten Imam, oder zumindest versöhnte sie sich fast, bevor sie dann, glaube ich, auch in die Spree sprang. Oder war es die Havel? Berlin hat viele Gewässer, jedes ist auf seine Weise attraktiv. Der zweite Muslim war schwul, und hatte deswegen eine Menge psychologische Probleme – aber ich bin sicher, auf lange Sicht wird er damit klarkommen, seine Sexualität und seinen Glauben miteinander versöhnen und einfach nur glücklich sein. Der dritte Muslim beging Ehebruch. Muslime sind halt auch nur Menschen und keine Heiligen, wir alle sind Kinder desselben Gottes. Wir sollten einander die Hände reichen, gemeinsam lachen und tanzen, dann gibt es nie wieder Krieg. Der Film war sehr gut, man sah auch viel von Berlin, das ist meiner Meinung nach sowieso die tollste Stadt, egal, wie das Wetter ist. Neben mir saß eine alte Koreanerin, die friedlich einschlief und schnarchte. Ich betrachtete dieses schöne, entspannte, alte Gesicht und dachte: Ein Wunder ist der Mensch, überall findet er seinen Frieden. Überall ist Heimat.

Am Abend vorher war ich beim SPD- Berlinale-Empfang gewesen und habe von der SPD ein Armband mit der Aufschrift „Lebendig. Einig. Mutig.“ geschenkt bekommen – einfach so. Andrea Nahles hat mir die Hand gegeben. Wir haben miteinander gescherzt und uns umarmt. Wir sind jetzt Freunde. Im Büro rief meine Chefin an, es ist die beste Chefin der Welt, und sagte, ich solle nicht so miesepetrig schreiben und die Welt mal positiver sehen. Das ist doch überhaupt kein Problem! Sie sagte, gerade eben würden vor dem Hotel Hyatt drei Männer das Eis weghacken, das Eis kommt weg, kein Star wird jemals mehr stürzen, und die drei Männer würden dabei tanzen und singen. Vielleicht waren es ja Muslime.

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