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Der Berufskriminelle Trojan (Mišel Maticević) funktioniert in „Verbrannte Erde“ von Thomas Arslan wie ein Uhrwerk.

© Reinhold Vorschneider / Schramm Film

Berlinale-Thriller „Verbrannte Erde“ : Das analoge Phantom

14 Jahre nach „Im Schatten“ entlässt Thomas Arslan seine Gangsterfigur Trojan wieder in die Berliner Straßen. „Verbrannte Erde“ ist großartiges Genrekino.

Von Andreas Busche

Trojan funktioniert wie ein Uhrwerk. Im Auto warten, Lage erkunden, Einstieg in die Villa in einer gesicherten Vorstadtsiedlung. Um die Wertsachen im Haus zu finden, benötigt er nur ein paar Minuten. Kennerblick, Routine. Trojan ist ein Profi, jeder Handgriff sitzt. Auch als ihm sein Käufer später um die Beute zu bringen versucht. Man kann gar nicht so schnell gucken, wie er dem anderen Gangster die Waffe abgenommen und ihn in den Kofferraum gestoßen hat. Trojan bringt so leicht nichts aus der Ruhe, weswegen man seine Stoik leicht mit Behäbigkeit verwechseln kann. Dabei ist er bloß ein Kaltblüter, der sich nur so viel bewegt wie nötig.

Vor 14 Jahren hat Thomas Arslan mit Trojan, seinem Protagonisten aus „Im Schatten“, eine Gangsterfigur geschaffen, wie man sie bis dahin nur aus dem französischen Kino kannte. Ein schweigsamer Existenzialist, ein einsamer Wolf, der sich durch die Welt bewegt, ohne Spuren zu hinterlassen; immer da, unbemerkt. Mišel Matičević („Exil“) verlieh ihm eine Körperlichkeit, die nie alert wirkte, aber mit seinem ökonomischen Spiel eine ungemeine Präsenz ausstrahlte.

Die alten Helden sind müde

In Frankreich hätte er es mit solchen Qualitäten zum Star bringen können, zumal seine melancholische Virilität durchaus attraktiv ist. Matičević blickt inzwischen auf eine lange Filmografie zurück, aber ein Star ist er nur in den Filmen von Thomas Arslan, der es versteht, um diese freigelegten Strukturen aus Performance, Gestus und Codes herum ein minimalistisches, straightes Genrekino zu modellieren.

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Zwölf Jahre nach seiner Flucht aus Berlin hält Trojan sich immer noch mit kleinen Jobs über Wasser; gerade so viel, dass es zum Überleben reicht. Er arbeitet unter dem Radar, die Kontakte in seinem früheren Revier sind erkaltet. Die Stadt hat sich verändert, Trojan nicht. Arslan filmt Berlin trotzdem so, wie man es im Kino selten sieht.

Die Topografie ist in „Verbrannte Erde“ genauso wichtig wie die Genre-Codes, die der Berliner Regisseur immer noch traumwandlerisch beherrscht. Trojans Rückkehr sieht durch die Kamera von Reinhold Vorschneider fantastisch aus, metallisch-monochrom leuchtet die Nacht, minimalistisch pulsiert der Soundtrack.

Eine frühere Kontaktperson, die Anwältin Rebecca (Marie-Lou Sellem), fädelt für Trojan einen Job ein. Er soll mit seinem alten Kumpel Luca (Tim Seyfi) und der Fluchtfahrerin Diana (Marie Leuenberger) ein Gemälde von Caspar David Friedrich aus einem Museumsdepot in Dahlem stehlen. Der Job geht generalstabsmäßig über die Bühne, aber dann beginnen die Probleme erst. Der Auftraggeber, ein skrupelloser Kunstsammler, der seinen sadistischen Handlanger Viktor (Alexander Fehling) auf die Crew ansetzt, will das Kunstwerk ohne Bezahlung. Und plötzlich ist Trojan wieder auf sich allein gestellt – sein bevorzugter Modus Operandi.

Das Kino liebt es, seinen Helden beim Älterwerden zuzusehen. Arslans zweiter Film seiner geplanten Trojan-Trilogie thematisiert die Zeit, die vergangen ist; es geht um den genreüblichen letzten Job. Luca hat Frau, Kind, ein Restaurant – und noch ein paar Schulden zu begleichen. Man wird halt bürgerlich. Trojan aber ist immer noch der Alte, lebt in Hotelzimmern, lässt sich in bar auszahlen. Bloß keine Spuren hinterlassen in der Welt der Nullen und Einsen. Ein analoges Phantom, andere Zeitrechnung.

Mit „Verbrannte Erde“ beweist Arslan noch einmal, wie zeitlos der Film Noir ist, solange man die Spielregeln beherrscht. Er betreibt reverse enineering: eine Abfolge von Routinen, viel Bewegung, wenig Sprache. Eine großartige Verfolgungsjagd gibt es, ein Zitat aus Walter Hills „The Driver“, die mit einem sagenhaften Ruhepuls die Stadt durchmisst. Und Arslans hardboiled Dialoge sind so lakonisch, so im Genre verkapselt, dass sie nie Gefahr laufen, unfreiwillig komisch zu klingen. Eine Masterclass in Genrekino.

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