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Kultur: Berliner Baukultur: Geschenkter Gaul

Wer zahlt, schafft an. Dieses allgemein verständliche Rechtsgut findet am Tresen durchweg Akzeptanz, wenn sich einer erbietet, eine Runde Doppelkorn, Sangria oder Champagner zu spendieren.

Wer zahlt, schafft an. Dieses allgemein verständliche Rechtsgut findet am Tresen durchweg Akzeptanz, wenn sich einer erbietet, eine Runde Doppelkorn, Sangria oder Champagner zu spendieren. Dass es in der Politik wie im Leben zugeht, ist eine andere Binsenweisheit. Auch in folgendem Fall geht es zu wie unter Zechkumpanen: Ein Investor spendiert der Stadt Berlin eine Mehrzweckarena für 300 Millionen - und schafft an. Das heißt, wie das Riesending, groß wie der Leipziger Platz, aussehen wird, das da am Nonnendamm oder am Ostbahnhof vielleicht ein halbes Jahrhundert lang täglich Zehntausenden von Autofahrern und Passanten ins Blickfeld gerät, ist sein Bier. Niemand fragt nach einem architektonischen Mindeststandard. Und niemand fordert einen Architektenwettbewerb. Man könnte ja den Unmut des Investors wecken. Denn der soll die Arena schließlich ohne jede finanzielle Beteiligung der Öffentlichen Hand in die Stadt bringen.

Selbstverständlich versprechen sich auch die Bezirke viel davon und lassen sich von den Investoren in eine Konkurrenzsituation drängen. In Spandau zum Beispiel beruhigt man die Öffentlichkeit mit der "Einbindung" des Projekts in ein städtebauliches Leitbild der Architekten Kny und Weber. Planen und realisieren wird die Superarena jedoch eine internationale Consultingfirma im fernen Kanada, die bereits bewiesen habe, dass sie profitable Hallen liefern kann. Der finnische Betreiber sei der einzige, der mit derlei Arenen Gewinn zu machen verstehe, und sei nicht bereit, irgendein Risiko einzugehen, heißt es bei Siemens.

Leitbild Spreeraum

Denn da ist noch der Konkurrent in Friedrichshain mit einem ähnlichen Projekt. Wer zuerst baut, hat gewonnen. Auch der Konkurrent hat seine Vorstellungen, die er durchzusetzen weiß. Zwar ist dort am Ostgüterbahnhof das "Leitbild Spreeraum" in Arbeit, und der Senat beabsichtigt, die Planung der Halle in ein "diskursives Verfahren" einzubinden (wobei offen bleibt, wer die Architekten aussucht, die in aller Offenheit um den Bauentwurf konkurrieren). Doch auch hier hat der Investor offenkundig die Absicht anzuschaffen und lässt schon mal fleißig planen. Wenn er in wenigen Wochen mit einem fertigen Modell in Vorlage geht, kann auch hier von öffentlicher Planungshoheit keine Rede sein. Unter www.hoksport.com kann man durch die bunten Entertainmentwelten, Großsportmaschinen und Baseballstadien surfen, die die beauftragte Firma HokSport (Kansas City / London / Brisbane) in aller Welt schon realisiert hat - sie ist in solchen Dingen erfahren und wird es schon richten.

Berlin braucht eben auch eine Art "Köln-Arena". Auf der Strecke bleibt die Bau- und Planungskultur. "Die Zeiten, in denen wir so etwas beeinflussen konnten, sind vorbei", resigniert Senatsbaudirektor Stimmann. Er meint wohl mehr die politische Großwetterlage als die planungsrechtlichen Verhältnisse. Der Ausverkauf öffentlicher Interessen geht weiter, der Senat hat andere Sorgen als ausgerechnet Baukultur. Auch wenn dereinst der Haushalt wieder ausgeglichen sein sollte - die Folgen der gegenwärtigen Krise und deren unsouveränes Management werden den Berlinern noch lange vor Augen stehen.

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