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Admiralspalast

© Admiralspalast

Berliner Bühne: Der Admiral und sein Palast

Seit einem Jahr betreibt Falk Walter das Traditionshaus an der Friedrichstraße. Eine Bilanz.

Er ist die steingewordene Fantasie ewigen Großstadtvergnügens, ein Labyrinth des Zeitvertreibs, letztes Relikt einer mythischen Topographie namens Friedrichstraße. Wer nächtlich unter dem Goldmosaik „Admiralspalast“ den leeren Hof betritt, hört das Summen der Stadt, die ratternde S-Bahn drüben, sieht schlafende Gebäudekulissen. Eigentlich ist der Block vor einem Jahr spektakulär eröffnet worden; dazu gehören das Restaurant San Nicci, ein so genanntes Grand Café, ein Radio-Studio, ein Open-Air-Ausschank vor dem Foyer. Die Wände sind rot verputzt. An der Straßenfassade dorische Halbsäulen, Ornamente, Schmiedebalkone. Pathetisches Dekor. Dass hier einst rund um die Uhr metropolitane Unterhaltungssucht befriedigt wurde, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts dann zunächst das Admiralsgartenbad über einer Solequelle erbaut, vier Jahre vor dem Ersten Weltkrieg ein Spaßzentrum mit Eisbahn, zehn Jahre später ein Revuetheater und Anfang der dreißiger Jahre ein Operettenbetrieb etabliert wurden, verrät der stille Bau nicht.

Hier gab es vormals russisch-römische Thermen auf 2600 Quadratmetern, ein Kino, eine Eislaufarena mit Orchester, Kegelbahn, Casino, Tanzsaal, Bar mit Separeés, Hotelzimmer, Massage, Friseursalon, Röntgenpraxis, Konditorei, Restaurants. Im Keller Dampfmaschinen zur Eisherstellung. 923 Räume: eine Gemischtwaren-Welt der Ablenkung. Der Saal wurde schließlich mit einer Führerloge bestückt, in der Hitler die „Lustige Witwe“ goutierte und DDR-Regenten sich amüsierten. Hier fand die ausgebombte Staatsoper Asyl, hier haben sich 1946 SED und SPD zwangsvereinigt, unter dem tonnenschweren Kristalllüster, der zur Entstaubung eine Woche Polierarbeit erfordert.

Falk Walter hat in diesem Palast der Weltgeschichtchen sein Gestaltungsobjekt gefunden, Projektionsflächen seines Traums von Berlin. Ein Spielstätten-Zampano auf dem Weg zum Kulturimperator: 42 Jahre alt, geboren in Guben, Schweißer mit Abi, Republikflüchtling, Puppenspieler, Schauspielstudent. Dass er Mega-Projekte zu stemmen weiß, zeigt er seit den neunziger Jahren in Treptow, wo aus Gewerbefluchten der Arena-Komplex entstand: eine 9000-Personen-Halle samt Bühne im „Glashaus“, Restaurantdampfer und Badeschiff in der Spree.

Funktioniert Walters Admirals-Komplex nun als elegantes City-Pendant zum coolen Backstein-Szenario an der Spree? Er habe die Vielschichtigkeit des Schauplatzes unterschätzt, sagt der Doppel-Intendant im Blick auf die ersten zwölf Monate. „Unfassbar schwierig“ sei es gewesen, für die vertraglich fixierte Investition 15 Millionen Kredit aufzutreiben. Zunächst habe er nur als Ergänzung zur Arena kleinere Bühnen-Optionen gewinnen wollen. Bei der Übernahme stellte er fest, dass die kurzzeitigen Vorbesitzer, Stageholding, das Interieur technisch ausgeweidet hätten: „Das Ding sah aus wie ein Schweizer Käse.“ Heute wisse er „in vielen Punkten“ noch nicht, wohin es gehen werde. Ein Ort „weißer Flecken“ solle das Haus bleiben, darin vergleichbar den Treptower Brachen. Zugleich solle es die zwanziger Jahre, den „Tanz auf dem Vulkan“ vergegenwärtigen. Und das, was Berlin heute ausmacht: „die Veränderungen der letzten zehn Jahre“.

Karger klingen die Kommentare zur Bespielung. Seit dem Opening mit der künstlerisch gefloppten Brandauer-Dreigroschenoper hat sich das Programm-Profil kaum geschärft. Ethno- und Percussion-Spektakel, Musical-Aufgüsse vom Fließband, Star-Auftritte von Helge Schneider bis zu Katja Riemann & Jopi Heesters bestimmen das Image. Im September hat die Kabarett-Reise von Norbert Blüm & Peter Sodann hier Premiere; zuvor wird, am 24. August, mit der Vaudeville-Burleske „The Wild Rose“ das lokale Sündenpfuhl-Erbe gewürdigt. Müsste er entscheiden, ob sein Konzept „Tingeltangel“ oder „Theater“ ist, würde Walter „Theater“ sagen. Er meint ein „Gebrauchstheater“, redet vom Abbau der Kulturschwellenangst. Über „Seelenduschen“, die er Besuchern des Dauerbrenners „Cavewoman“ bietet. Sein Herz schlägt für das selbstproduzierte Maskentheater seiner „Familie Flöz“.

Man könne in Startjahren ökonomisch nur per „Mischkalkulation“ bestehen, lautet eine Erklärung für das Qualitätsallerlei. Es gibt, neben dem „AP Theater“ mit seinen 1700 Plätzen, auch intimere Formate: das AP Studio, das AP 101, für Comedy und Konzerte. Der Gemischtwaren-Traum früher Palast-Dekaden hat es Walter angetan. Die Operetten-Epoche, mit der die Berliner seit dem Einzug des heimatlosen Metropol-Theaters 1955 ihre Erinnerung an diesen Ort verbinden, ist passé. Gleichwohl soll demnächst hier auch eine Operette umgeschrieben und „mit Lubitsch-Touch“ inszeniert werden.

Als Meuchelmord an der Leichten Muse hatte seinerzeit auf der Bühne des Hauptstadt-Entertainments der vorletzte Palast-Akt geendet: Nach den Glücksjägern, die nur das Filet-Terrain wollten, scheiterte das Privattheater des Operetten-Seniors René Kollo, wodurch der Senat seines Metropol-Ensembles ohne Abfindungen entledigt war. Falk Walter bekam den Zuschlag nach dem Stageholding-Intermezzo; diese Musical-Fabrik (heute: Stage Entertainment) hält derzeit das Theater des Westens und zwei Bühnen am Potsdamer Platz. Außerdem gehört zu Berlins Unterhaltungstempeln das oft an Tournee-Konzerne vermietete Charlottenburger Schiller-Theater, von wo Veranstalter wie B.B. Promotion und Semmelproduction bereits peu à peu zur Friedrichstraße desertieren; auch Westberliner Top Acts wie Max Raabe und Marys Travestie wandern dorthin. Hat die Kulturverwaltung mit dem Palast-Verkauf die eigene Schiller-Vermarktung unterlaufen? Kein Problem, sagt Immobilien-Betreuer Karl-Heinz zur Weihen: Noch werde das Schiller-Haus für Theater-Werkstätten genutzt, 400 000 Euro Gastspielmiete decken die Jahreskosten. Falls es jedoch ab 2010 nicht für die sanierte Staatsoper als Ausweichstätte benötigt werde, brauche man 2008 wieder einen Pächter.

Schiller-Theater? Neue Halle am Ost-Bahnhof? Kein Problem, sagt Falk Walter. Berlin habe Platz für alle. Er sehe sich weder im Clinch mit Stage Entertainment noch mit Peter Schwenkow (Wintergarten, DEAG), der sich ja immer demütig nur als Kartenverkäufer bezeichnet habe. Walter will mehr: die „Suche nach dem Authentischen“. Konkret wird der Impresario, wo es um die Immobilie geht. Zur Popkomm eröffnet ein AP Klub, im Winter 2008 soll das AP Bad wiedererstehen – 47 Kisten herrlicher Fliesen, 1987 rausgerissen und beim Denkmalschutz aufgetaucht, werden dafür zurückgeführt. Die Öde der Einrichtung, der prollige „Messecharakter“ soll überwunden, die Legenden-Pracht reanimiert, der Service aufgewertet werden. Der Bauherr bettelt bei den Banken; es dauert länger, alles muss schön werden. Er hat die alte Lüster-Firma gefunden, jeder Kristall wird justiert, ein Motor eingebaut; die Galaxien werden kreisen, ein Spot strahlt drauf, dann flimmert der Saal. Der Admiral als Spielkind: glänzende Augen. Zum Spielplan ist ganz so viel nicht zu erfahren. Verpackung ist alles. Det is Berlin.

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