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Berliner Cellisten: Schweigsame Nachbarin

Eine Konzertreihe stellt Berliner Cellisten vor: diesmal den Jungstar Claudio Bohórquez.

Der Platz neben Claudio Bohórquez im Flugzeug ist nie leer. Treu und aufrecht, aber alles andere als gesprächig, beansprucht Bohórquez’ Begleiterin wie selbstverständlich stets ein eigenes Flugticket. Dass die hölzerne Gefährtin über 300 Jahre alt ist, ändert daran nichts. Und Claudio Bohórquez ist viel unterwegs, zu Konzerten, Aufnahmen, Proben. Immer dabei: sein Instrument, ein Violoncello von Giovanni Battista Rogeri. Es ist so wertvoll, dass keine Versicherung für Schäden beim Transport im Frachtraum aufkommen würde. Viele Flugscheine sind so schon zusammengekommen, mehr als vier oder fünf Tage bleibt der Berliner selten in der Stadt. In einem seiner Stamm-Cafés am Helmholtzplatz halten die schönen Cellistenhände einen Cappuccino. Aus den Boxen sägt Bob Dylan. Auch wenn Bohórquez glaubt, dass Mozarts Musik Kinder sozialer macht als Rock und Pop: ein bisschen Moderne ab und an scheint für den 31-Jährigen ganz in Ordnung zu sein.

Gerade war der Deutsche peruanisch-uruguayischer Abstammung mit dem Russischen Nationalorchester in den USA unterwegs, zurzeit probt er mit dem Presidential Symphony Orchestra in Ankara, und am kommenden Donnerstag spielt er in Berlin: „Suite, Suite Tango“ heißt der Abend. Auf dem Programm: Bach, Britten und Piazzolla. „Der rote Faden durch den Abend sind die kontrapunktischen Parallelen der Werke, Bachs musikalisches Denken steht im Mittelpunkt“, begründet Bohórquez die Auswahl.

Es ist das fünfte Hauskonzert in der Reihe „Berliner Cellisten“, die das Haus am Waldsee in diesem Jahr veranstaltet. An zehn Donnerstagabenden spielen meist junge Musiker internationaler Herkunft mit Wohnsitz in Berlin. Die Atmosphäre im Saal ist intim, an den Wänden hängen Bilder der aktuellen Ausstellungen, sehr nah sitzen Zuhörer und Musiker beieinander. So nah, dass man während des Konzerts die Maserung des Instruments studieren, den angestrengten Atem des Cellisten hören, bei einer besonders schönen Stelle das innere Lächeln auf seinem Gesicht erahnen kann.

In der Pause werden die Flügeltüren zur Terrasse geöffnet, ein idyllischer Park schließt sich an. Es ist dunkel, Lichter spiegeln sich auf der Wasseroberfläche des Sees, eine über 50 Jahre alte Hängebuche hat mit ihren Zweigen einen natürlichen Tempel gebaut. Als hier in Zehlendorf 1945 das erste Konzert der Berliner Philharmoniker nach dem Krieg stattfand, war der imposante Baum noch gar nicht gepflanzt.

„Es ist schön, die Nähe zum Publikum zu spüren, die Zuhörer an der Auseinandersetzung des Musikers mit der Komposition teilhaben zu lassen“, freut sich Bohórquez auf sein Konzert im Haus am Waldsee. Gern musiziert er für Freunde und hat auch als Jugendlicher schon viele Hauskonzerte gegeben. Er war sieben, als er begann, seinen besten Freund beim Cellospielen zu imitieren. Die Eltern, beide Berufsmusiker, wurden darauf aufmerksam und schenkten ihrem Sohn sein erstes Cello. Da es für sie jedoch nicht infrage kam, dass Claudio Musik nur als Hobby betrachtete, nahmen sie ihm das Instrument kurzerhand wieder weg, als er nicht jeden Tag übte. Er musste lange betteln, bis er es wiederbekam. Schon allein physisch sei es sehr angenehm, Cello zu spielen: „Es ist wie eine Umarmung.“

Dann ging alles sehr schnell: Mit 11 Jahren war er Bundespreisträger bei „Jugend musiziert“, gewann in der Folge viele internationale Nachwuchswettbewerbe, war seit 1994 Schüler von Boris Pergamenschikow in Köln und Berlin und wurde im Jahr 2000 von der Kronberg Academy beim 1. Internationalen Pablo-Casals-Wettbewerb gleich dreifach geehrt. Kritiker loben das unbefangene und zugleich kontemplative Spiel sowie das „südamerikanische Temperament“ des in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Cellisten. Stört ihn ein solches Etikett? „Nein“, antwortet er überzeugt, er sei sogar stolz auf seine peruanischen Wurzeln. Nach Zehlendorf müssen er und sein Cello nicht einmal fliegen.

Bohórquez spielt am 3. April, 20 Uhr, im Haus am Waldsee. Am 10. Mai zeigt 3sat um 22 Uhr ein Porträt über den Künstler.

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