zum Hauptinhalt

Kultur: Berliner Ensemble plant dreizehn Premieren für die neue Zeit

Claus Peymann, beinahe bescheiden. Claus Peymann ohne Peitsche.

Claus Peymann, beinahe bescheiden. Claus Peymann ohne Peitsche. Der Direktor des Berliner Ensembles haut bei seiner ersten großen Berliner Pressekonferenz nicht auf den Putz der neuen Probebühne. Er stellt seinen Spielplan vor und lässt die Namen, die Stücke, die Projekte für sich sprechen. Eine Lawine wird losgetreten - dreizehn Premieren im Haupthaus bis Juli 2000, dazu eine Vielzahl kleinerer Produktionen auf der (alten) Probebühne und etliche Sonderveranstaltungen, genannt "BE-Zugaben". Offensichtlich ist Claus Peymann nicht aufs Altenteil nach Berlin gekommen.

Die Eröffnungspremieren waren bereits weitgehend bekannt: George Tabori mit der "Brecht-Akte" am 8. Januar 2000, tags drauf "Der Ignorant und der Wahnsinnige" von Thomas Bernhard in der Regie des Hausregisseurs Philip Tiedemann, der für den 21. Januar auch Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung" inszeniert. Am 13. Januar folgt Bernhards "Vor dem Ruhestand" in Peymanns Regie mit der Originalbesetzung der Uraufführung, die zwanzig Jahre zurückliegt; Kirsten Dene, Eleonore Zetzsche, Traugott Buhre. Am 15. Januar nimmt das BE Brechts "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui", Heiner Müllers letzte Inszenierung, wieder auf, mit Martin Wuttke in seiner Paraderolle. "Das Ende der Paarung", die Uraufführung des Zweipersonenstücks von Franz Xaver Kroetz (mit Therese Affolter und Traugott Buhre), ist für den 5. Februar angekündigt, Claus Peymann inszeniert im Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann.

Hier ist Claus Peymann gestern auch einmal etwas deutlicher geworden. "Das Ende der Paarung" sei ein "Totentanz aus der alten Residenz Bonn und zugleich eine Morgengabe an die neue Republik". Wie Träumer und Weltverbesserer aussortiert werden, politisch und publizistisch - dies sei das Thema bei Kroetz, dessen Figuren von fern an Petra Kelly und Gert Bastian erinnerten, aber auch an Idealisten der untergehenden DDR. Und dann sagt Peymann: "Tabori und Kroetz sind die eher vorsichtigen Vorboten zu dem größeren Welttheater", das der BE-Direktor noch einmal neu erfinden will.

Und dann kommen die Überraschungen, auf die man ja doch gewartet hat, die Geheimprojekte, von denen lange gemunkelt wurde: Achim Freyer inszeniert Shakespeares "Hamlet" mit Martin Wuttke in der Hauptrolle (Premiere 19. Februar). Philip Tiedemann will im Mai den "Marat/Sade" von Peter Weiss wagen, mit Thomas Thieme und Martin Wuttke als Protagonisten. Gegen Ende der Spielzeit noch einmal zwei Pfunde: Peymann inszeniert "König Richard II" von Shakespeare, mit Michael Maertens, Bühne Achim Freyer. Der ungarische Regisseur Tamás Ascher setzt einen Molière in Szene. Nächste Überraschung: Ben Becker spielt Tartuffe. Davor drei Übernahmen: "Die Eingeborene" von Kroetz, "Der Theatermacher" und "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen" von Thomas Bernhard. Am 12. Dezember lädt die neue Direktion zu einem "Sonntagsspaziergang durchs BE". Es werden erste szenische Kostproben gereicht, bei freiem Eintritt. Man sieht schon jetzt: Es ist ein gutes, altes, immer wieder neues Peymann-Programm, dominiert von deutschsprachigen Autoren und europäischer Klassik, geprägt von persönlichen Neigungen der BE-Regisseure, wie Peymann gern zugibt. Als Defizit empfindet er die Tatsache, dass man sich erst nach und nach auf "Spurensicherung des DDR-Theaters" begeben könne.

Peymann glaubt zu wissen, welche Schichten er in sein Berliner Ensemble locken kann. Er will das "verloren gegangene bürgerliche Publikum" zurückgewinnen; die alte Linke, die neue Mitte? Er gibt sich verbindlich, staatstheater-tragend. Gemeinsam müsse man es schaffen, dass Berlin "Theatermetropole bleibt oder wird". Er holt Schauspiel-Stars an das BE und nach Berlin zurück. Er wünscht den "jungen Leuten" von der Schaubühne Glück. Und er hat Pläne, die den bevorstehenden Kraftakt der Eröffnung noch in den Schatten stellen könnten: vier Uraufführungen (Jelinek, Turrini, Tabori, Brasch) in der nächsten Spielzeit. Und in der übernächsten ballt Peymann den "Faust", I und II - "wann denn sonst und wo, wenn nicht am BE?" Wie unbescheiden. Endlich!

Rüdiger Schaper

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false