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Auch für Träume muss man kämpfen. „Vergiss nie zu tanzen“, sagt Klaus Hoffmann.

© Rütten & Loening

Berliner Folk: Sänger Klaus Hoffmann feiert Geburtstag

Der Liedermacher schenkt sich zum 60. eine Gala im Friedrichstadtpalast. Das Konzert ist bereits ausverkauft. Seine Fans können ihn aber auch noch am Mittwoch erleben - da stellt er seinen neuen Roman vor.

Um die Liedzeile kommt man nicht herum. Obwohl sie uralt ist und zu Tode zitiert: „Ich will Gesang, will Spiel und Tanz“. So heißt die dritte Platte von Klaus Hoffmann, Erscheinungsjahr 1977. Und das Credo ist nicht mal ganz von ihm, sondern die Nachdichtung eines Chansons von Jacques Brel. Trotzdem beschreibt der Satz ziemlich gut den Hoffmann-Kosmos, inklusive der Nähe zu Brel.

„Vergiss nie zu tanzen“, sagt Hoffmann auch heute noch, ein paar Tage vor seinem 60. Geburtstag. Im Plädoyer für das pralle Leben steckt auch die andere Seite: Der Absturz, der ewige Zweifel, Herzschmerzen, der Kampf ums Glück. Hoffmanns Texte sind hemmungslos pathetisch, voll mit den großen Gefühlen. Das schrappt mitunter knapp am Kitsch vorbei, doch für Blümchenpoesie sind seine Beobachtungen zu genau, dazu ist er zu dringlich. Die Musik, oft ein bisschen weichgewaschen, ist eher ein Nebenschauplatz. Hoffmann ist seit 40 Jahren und fast ebenso vielen Platten ein stiller Star. Bei gesellschaftlichen Events steht der Ur-Berliner, der aus kleinen Verhältnissen stammt, selten auf der Gästeliste, Skandale hat er nie gemacht. Wenn man nicht nach ihm sucht, findet man ihn in den Medien nicht. Trotzdem sind seine Tourneen ausverkauft, seine Platten schaffen es regelmäßig in die obere Hälfte der Charts.

Angefangen hat er mit 16 in Berliner Folkclubs. Die Gitarre umgeschnallt, manchmal mit angeklebtem Schnauzer, um älter zu wirken, sang er Knef-Lieder und selbst vertonte Rimbaud-Gedichte. „Mädchenlieder“, sagt er heute dazu. Nicht gerade Mainstream zu Zeiten der Studentenbewegung, als jedes Lied eine politische Aussage haben sollte. Trotzdem verschaffte er sich beim K-Gruppen- Publikum Gehör. Vielleicht auch durch sein schüchternes Schweigen zwischendurch, was die Politfreaks als großes Geheimnis deuteten, wie er mutmaßt. Vordergründig politische Lieder sind für ihn ein Graus. Der Sänger soll zwar ein Ventil der Welt sein, als Bewacher der Welt sieht er sich nicht.

Unbedingt gesehen und gehört werden wollte er von Anfang an. Zunächst als Schauspieler. Dem Max-Reinhardt-Seminar folgte ein hoffnungsvoller Karrierebeginn in der Berliner Freien Volksbühne und am Hamburger Thalia-Theater. Und dann kam Edgar Wibeau. Mit der Rolle des romantischen Rebellen in der Verfilmung von Ulrich Plenzdorfs Romans „Die neuen Leiden des jungen W.“ wurde Hoffmann aus dem Stand zum Inbegriff des kämpferischen Träumers, der auf seiner Individualität besteht. Doch zwei Jahre später machte er 1978 Schluss mit der Schauspielerei: „Es war nicht notwendig, mich in irgendwelchen Schinken zu sehen.“ Nur einmal noch schlüpfte er in eine Rolle, Mitte der neunziger Jahre in einem selbstgeschriebenen Brel-Musical.

Besser gesagt: Nun konnte er sich ganz auf die Rolle seines Lebens konzentrieren – als Darsteller seiner eigenen Geschichte. Sie gab ihm den Boden unter den Füßen. Der Schauspieler trägt den Sänger. Zwanzig Jahre dauerte es, diese Rolle richtig zu lernen, sagt er. Jetzt beherrscht er sie virtuos. In den Konzerten wechseln kleine Lebensvignetten mit Liedern ab, die auch bei der tausendsten Wiederholung noch direkt aus dem Bauch zu kommen scheinen. Ein kantig sinnlicher Sehnsuchts-Stellvertreter. Das ist wohl die eine Seite seines Dauererfolges. Die andere: eine Stimme, die auch die schlimmen Dinge des Daseins so ummantelt, dass man das Licht am Ende des Tunnels mithören kann.

Unbeirrbar und trotzig bleibt er ganz bei sich. Auch in den drei Romanen, die er in den letzten zehn Jahren geschrieben hat. Der neueste, „Phillip und die Frauen“, erscheint diese Woche (Rütten & Loening, 240 S., 16,95 €). Seine literarischen Hauptfiguren heißen Lachmann, Engelmann und Kaufmann. Da ist der Hoffmann nicht weit. Sie erzählen von einer Ausbruchsreise zweier Jugendlicher, die zufällig nach Afghanistan führt, vom frühen Verlust des Vaters im Nachkriegs-Berlin, von der Rückschau auf die Frauen eines 60-jährigen Schauspielers – alles knapp neben der eigenen Biografie.

Der größte Schatz läge halt nun mal in ihm selbst, antwortet er leicht genervt, wenn man ihn auf die selbstbespiegelnden Innenperspektiven anspricht. „Ohne Innen so kein Außen.“ Aber so narzisstisch sei er dann doch nicht, dass er sich nicht verlassen könne. Der unruhige, zweifelnde Geist, der er ist, sucht auch einen Zugang zu „Außenthemen“, wie er es ausdrückt, zu Figuren die gar nichts mit ihm zu tun haben.

Zum Sechzigsten schenkt sich Klaus Hoffmann eine Geburtstagsgala im Friedrichstadtpalast. Da sind alle dabei, die die verschiedenen Facetten seines Weges spiegeln: Reinhard Mey, der Orpheus-Bruder im Geiste, der im wirklichen Leben sein Trauzeuge war, Hannes Wader, das politische Gegenstück zum Innerlichkeitsbarden, der schon damals in den rauchigen Folkclubs zuhörte und an Kritik nicht sparte. Und auch Romy Haag, die dem kleinen Prinzen in ihrem Lokal in der Fuggerstraße die anderen Seiten der Nacht zeigte. Hoffmann wäre nicht er selbst, wenn er mit diesem Konzert nicht eine Forderung an sich verbinden würde. Etwas verabschieden will er. Das Ende eines Weges. Der neue soll auch mit Gesang und Spiel sein, aber mit anderen Inhalten gefüttert, und auch wieder mit neuen Schauspielrollen.

„Ein junger Prinz lebt nicht unendlich. Obwohl das in unseren selbst gebauten Regiebüchern steht“. Noch so eine hingewischte Hoffmann-Sentenz, in der sich viele wiederfinden können. Vom Engelslockenkopf zum etwas bulligen Dandy-Kumpel, Klaus Hoffmann hat sich nie einen Tag jünger gemacht, als er ist. Angst vorm Alter? Angst vor der Endlichkeit. Da schließt sich der Kreis. Denn die notorische Liedzeile geht so weiter: „Ich will Gesang, will Spiel und Tanz – wenn man mich unter den Rasen pflügt“.

Am Mittwoch, 9. 3., stellt Hoffmann im Kulturkaufhaus Dussmann seinen Roman „Phillip und die Frauen“ vor (19 Uhr). Am Sonntag, 27. 3., Geburtstagkonzert im Friedrichstadtpalast (19 Uhr, ausverkauft).

Gerd Hartmann

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