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Kultur: Berliner Opernhäuser: Vor dem Knall (Kommentar)

Warum ist Berliner Kulturpolitik so enervierend? Weil viel passiert und sich nichts bewegt.

Warum ist Berliner Kulturpolitik so enervierend? Weil viel passiert und sich nichts bewegt. Weil man das Gefühl hat, dass die Strukturen zehn Jahre nach der Wende immer noch von dem alten West- und Ost-Berliner Beton blockiert werden. Wo immer einer sich einmal vorwagt, prallt er sogleich aufs heftigste wieder ab. Das jüngste - und prominenteste - Beispiel betrifft die Berliner Philharmoniker. Der Bund hat sich erboten, das Orchester in seine Finanzregie zu übernehmen, was die allfällige Strukturreform ermöglichen würde. Doch in der Berliner Kleingärtnerei lässt sich das nicht durchsetzen. Der Regierende Bürgermeister Diepgen klammert sich an seine Philharmoniker, als gingen sie der Stadt verloren, wenn der Bund - endlich! - konkret für die Hauptstadtkultur Verantwortung übernähme. Nein, wir wollen hier keine Reformen! Nicht wirklich. Kultursenator Christoph Stölzl hat, kaum hundert Tage im Amt, seine Politik abgesteckt. Neue Rechtsformen für die Bühnen, Personalabbau, Kooperation der Opernhäuser bis hin zu einem gemeinsamen Management - alles richtig, alles wichtig, alles längst als unvermeidlich erkannt, wenn man nicht vollkommen ignorant ist. Der Stölzl-Bericht pflegt einen konzilianten, allzu moderaten Ton - da klingt bereits die Möglichkeit des Scheiterns an. Warum? Weil sich zum Beispiel die Opernintendanten offensichtlich jeder Maßnahme widersetzen, die ihre Macht beschneiden könnte. Weil es zweifelhaft scheint, ob das Abgeordnetenhaus die mangelhaften, veralteten "Rahmenbedingungen" der Berliner Kulturpolitik zu ändern bereit ist. Und weil Christoph Stölzl jetzt nachholt, was vor seinem Amtsantritt hätte geklärt werden müssen - notabene die Rahmenbedingungen. Das heißt: Reformen und mehr Geld. Denn das Defizit wächst weiter. Das Ärgerlichste aber ist, dass wir es seit etlichen Jahren mit einer Großen Koalition zu tun haben, die es nicht fertig bringt, ein Notstandsgesetz für die Berliner Kultur zu beschließen. Ein halbes Dutzend Kultursenatoren, darunter eklatante Fehlbesetzungen, wurde seit der Wende verschlissen. Stölzl traut man einiges Stehvermögen zu. Er weiß, dass es bald fürchterlich knallen wird, wenn seine Vorschläge, die in Wahrheit dringende Warnungen sind, nun wieder ihren sozialistischen West-Berliner Gang gehen.

Rüdiger Schaper

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