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Tugan Sokhiev war von 2012 bis 2016 Chefdirigenten des DSO Berlin

© Patrice Nin

Berliner Philharmoniker: Tugan Sokhiev lässt das Orchester tanzen

Tugan Sokhiev dirigiert bei den Berliner Philharmoniker seine „Schwanensee“-Fassung. Bruno Delepelaire spielt das Cellokonzert von Eduard Lalo.

Ein slawisch-französisches Programm hat Tughan Sokhiev für sein Gastspiel bei den Berliner Philharmonikern mitgebracht. Der aus Nordossetien stammende Dirigent, der nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sowohl die Leitung des Bolschoi-Theaters als auch des Opernhauses Capitole in Toulouse niederlegte, um nicht eine „untragbare Wahl“ zwischen russischen und französischen Musikern treffen zu müssen, folgt damit seinen beiden großen musikalischen Lieben. Und das Orchester folgt ihm, dem zugleich ökonomisch-präzise und ausdrucksstark Agierenden, mit hochgestimmtem Engagement.

Aus Tschaikowskys „Schwanensee-Suite“ hat Sokhiev seine eigene Abfolge erstellt, welche die prägnantesten Musiknummern und das Drama um die Schwanenprinzessin Odette und ihren ungetreuen Siegfried stimmig zusammenfasst. Sie wird zugleich zu einem Fest der Philharmoniker-Virtuosität. Schnell schlägt zarte Melancholie, getragen von Jonathan Kellys gesanglicher Oboe, in Dramatik um, in der die Kontrabässe nicht weniger unheilverkündend klingen als in Tschaikowskys „Pathétique“. Alles wird überdeutlich.

Die Philharmoniker zeigen ihre ganze Virtuosität

Glanzvoll die unterhaltenden Szenen des zweiten Akts, ob Csardas, spanischer oder neapolitanischer Tanz. Guillaume Jehl versieht diesen mit witzigen Trompetenakzenten. Flöte und Klarinette entfachen einen Klangzauber, der in gläsernen Piano-Terzläufen an die Celesta im „Tanz der Zuckerfee“ erinnert. Schmachtende Melodik und tänzerische Eleganz umschlingen einander im „Pas de deux“ von Konzertmeister Krysztof Polonek und Solocellist Ludwig Quandt. Und ein Zauberwesen namens Vincent Vogel untermalt mit beweglicher, klangvoller, dramatisch vorantreibender Pauke den Sturz in den Abgrund, wenn das Liebespaar im See der aufgewühlten Klänge versinkt. Riesenjubel.

Antonín Dvořáks Konzertouvertüre „Karneval“ feiert die Lebensfreude, deren lärmender Klang von Blech und Becken schnell Triangel und Tambourin weicht, um sich dann in silbrig-filigranen Streicher- und Bläserbewegungen zu entfalten. Und mittendrin entsteht ein Naturbild, in dem Solovioline und Harfe sich liebevoll umspielen, zu honigsüß herabtropfenden Flötenstaccati. 

Danach verströmt Éduard Lalos Cellokonzert französische Eleganz. Hier darf, trotz eines etwas schematisch in Tuttischlägen ausgeführten Orchesterparts, das Soloinstrument in plastischer Melodik dramatisch auftrumpfen und elegisch träumen. Bruno Delepelaire, ebenfalls Solocellist der Philharmoniker, nimmt sich dessen mit schlank singendem Ton und staunenswerter Beweglichkeit an. Viel eindrucksvoller noch ist allerdings seine Zugabe, die wahnwitzig gesteigerte Passacaglia „La Folia“ des Barockmeisters Marin Marais.

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